Wie werden wir in der digitalisierten Welt künftig arbeiten? - "Die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen wird zu einer zentralen Fähigkeit"

Nachgefragt

Die Digitalisierung der Arbeitswelt hat sich zu einem Schlagwort des 21. Jahrhunderts entwickelt. Während Unternehmen und Märkte mit dem Tempo digitaler Ökonomie Schritt halten müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben, wittern Skeptiker zugleich massive Jobverluste: Die Automatisierung von Arbeitsplätzen durch neue Technologien drohe Stellen zu vernichten, so die Befürchtung. Was das für Arbeitnehmer/innen in Deutschland und Europa auf der einen Seite und Unternehmer/innen auf der anderen Seite bedeutet, erläutert ZEW-Arbeitsmarktökonomin Melanie Arntz.

Wie ist der hiesige Arbeitsmarkt auf die Veränderungen vorbereitet, die die Digitalisierung mit sich bringt?

Der digitale Wandel ist in vielen deutschen Unternehmen bereits in vollem Gange. Dies führt zu steigenden Anforderungen mit Blick auf IT-Kenntnisse und Prozess-Knowhow sowie bei kommunikativen und interdisziplinären Fähigkeiten. In der digitalen Arbeitswelt von Morgen werden vor allem Arbeitskräfte gebraucht, deren Produktivität mit dem Einsatz neuer digitaler Technologien steigt. Auf diesen Wandel ist der deutsche Arbeitsmarkt relativ gut vorbereitet: Durch das hohe Qualifikationsniveau in Deutschland sind viele Arbeitskräfte gut dafür gerüstet, den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Zudem attestieren deutsche Betriebe dem Ausbildungssystem eine hinreichende Flexibilität, Ausbildungsinhalte an die veränderte Arbeitswelt anzupassen. 

Was bedeutet das für die Generationen, die in diesem Umfeld aufwachsen und einmal arbeiten wollen?

Erstens werden fachliche Fähigkeiten, die einen gewissen Routinecharakter aufweisen und dadurch von Algorithmen übernommen werden können, zukünftig weniger nachgefragt. Deutlich besser dürften hingegen die Berufsaussichten für einen kommunikativen Allrounder ausfallen, der die fachlichen Fähigkeiten kreativ einsetzen kann. Zweitens gehen mit der veränderten Arbeitswelt teilweise auch veränderte Arbeitsformen einher. Zwar ist der Crowdworker, der seine Fähigkeiten in einer verstärkt auf unternehmensübergreifende Kooperation setzenden Wirtschaft digital und global anbietet, bislang ein Nischenphänomen. Dennoch zeigt sich bereits, dass auch Arbeitsformen im Wandel sind und Erwerbskarrieren daher zukünftig häufiger Brüche aufweisen können. Die Planbarkeit der Erwerbskarriere dürfte daher abnehmen. Drittens wird die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen zu der zentralen Fähigkeit, um in einer sich wandelnden Arbeitswelt dauerhaft produktiv und somit erfolgreich zu sein. Klar ist damit aber auch: Die Arbeitswelt von morgen bietet viel Entwicklungsmöglichkeiten, sie kann potenziell aber auch überfordern. 

Was sollte die Politik tun, um den Prozess zu unterstützen?

Die Politik kann für Rahmenbedingungen sorgen, die einerseits die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft fördern und andererseits die möglichen Nebenwirkungen dieses Prozesses abmildern. Das bedeutet zum einen, Investitionen in die digitale Infrastruktur, die Förderung der digitalen Vernetzung durch die Entwicklung digitaler Standards sowie klare gesetzliche Rahmenbedingungen beim Datenschutz. Gleichzeitig kann die Politik den Dialog zwischen Wirtschaft und Bildungsinstitutionen forcieren, um notwendige Anpassungen in den Bildungsinhalten voranzutreiben. Darüber hinaus sollte der Staat gezielt diejenigen weiterqualifizieren, die ansonsten Gefahr laufen, den Anschluss an die Arbeitswelt zu verlieren. So nehmen etwa Geringqualifizierte deutlich seltener an betrieblicher Weiterbildung Teil als Höherqualifizierte, führen aber gleichzeitig sehr viel häufiger Tätigkeiten aus, die technisch automatisierbar sind.

Stichwort Qualifizierung von Arbeitskräften: Vor welchen Herausforderungen durch digitale Arbeit stehen Unternehmen?

Das Problem vieler Unternehmen besteht häufig darin, die Chancen der Digitalisierung überhaupt zu erkennen. Fachliches Wissen alleine reicht dafür nicht aus. Vielmehr ist es notwendig, alte Denkmuster zu verlassen, um Wertschöpfungsprozesse neu zu denken. Ist der Einstieg in den digitalen Wandel dann gelungen, ist es wichtig, die Beschäftigten weiterzubilden, damit sie den veränderten Anforderungen gerecht werden können. Der digitale Wandel scheint jedoch nicht ausschließlich mit höheren Anforderungen an die Beschäftigten einherzugehen. Insbesondere Geringqualifizierte sehen sich teilweise auch geringeren Anforderungen an ihre Fähigkeiten gegenüber. Die Herausforderung für die Unternehmen besteht daher nicht allein in der Qualifizierung der Beschäftigten, sondern auch in der Vermeidung von psychischen Belastungen, die durch Über- aber auch Unterforderungen entstehen können. Unternehmen sind im digitalen Wandel daher in vielfältiger Weise gefordert.

 

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Jun.-Prof. Dr. Melanie Arntz, Telefon 0621/1235-159, E-Mail arntz@zew.de