Digitaler Wandel kurbelt Nachfrage nach Arbeitskräften in Europa an
ForschungDie fortschreitende Digitalisierung geht mit der Frage einher, inwiefern Arbeitsplätze technisch automatisierbar und somit sogar maschinell ersetzbar sind. Eine neue Studie des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zusammen mit der Universität Utrecht zeigt jetzt: Automatisierung hat einen positiven Gesamteffekt auf die Arbeitsnachfrage in Europa.
Die Studie untersucht die Auswirkungen des technologischen Wandels auf die Arbeitsnachfrage in europäischen Regionen zwischen 1999 und 2010 – und zeigt, dass Automatisierung durch sinkende Produktionskosten für Unternehmen und dadurch sinkende Angebotspreise zu höherer Produktnachfrage geführt hat. Die gestiegene Produktnachfrage wiederum führt zu einem Anstieg der Arbeitsnachfrage.
In der öffentlichen Debatte werden immer wieder Sorgen laut, dass Maschinen und Algorithmen menschliche Arbeit überflüssig machen könnten. Die Studie von ZEW und Universität Utrecht legt nun erstmals Ergebnisse zu den langfristigen Gesamteffekten der Automatisierung und Digitalisierung auf die Arbeitsnachfrage vor. Die Autoren haben dabei die aggregierten Auswirkungen des technologischen Wandels auf die Arbeitsnachfrage für 238 europäische Regionen in 27 EU-Ländern geschätzt.
"Der Mensch rennt vielmehr mit anstatt gegen die Maschine"
Insgesamt stellen die Wissenschaftler fest, dass der Gesamteffekt des technologischen Wandels auf die Arbeitsnachfrage zwischen 1999 und 2010 positiv war. Zwar haben Maschinen menschliche Arbeit ersetzt und die Arbeitsnachfrage reduziert. Allerdings hat die gestiegene Produktnachfrage in einem noch größeren Umfang die Arbeitsnachfrage erhöht.
Wie groß die positiven Arbeitsnachfrageeffekte der Automatisierung ausfallen, hängt jedoch zentral von der Gewinnverteilung des technologischen Wandels ab. Um dies zu zeigen, haben die Wissenschaftler eine obere und untere Grenze der Schätzwerte ermittelt. Die obere Grenze liegt bei einem positiven Arbeitsnachfrageeffekt von 11,6 Millionen Jobs und beruht auf der Annahme, dass alle Einkommensarten in der regionalen Wirtschaft für den Konsum ausgegeben werden. Der untere Grenzwert liegt bei 1,9 Millionen Jobs und beruht auf der Annahme, dass lediglich Lohneinkommen lokal wieder in Konsum münden, während die übrigen Einkommensarten nicht in der EU ausgegeben werden.
Dass sich Automatisierung langfristig positiv auf die Nachfrage nach Arbeitskräften auswirkt, ist allerdings nicht gleichbedeutend damit, dass mehr Jobs in der Realwirtschaft entstehen. "Aufgrund kurz- oder mittelfristiger Anpassungskosten infolge von Verschiebungen zwischen Berufen, Sektoren oder Regionen lassen sich die Effekte nicht eins-zu-eins in die Anzahl neuer Arbeitsplätze übersetzen", erklärt Dr. Ulrich Zierahn, Wissenschaftler am ZEW und Mitautor der Studie. Vielmehr deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Ängste über mögliche technologische Arbeitslosigkeit in der langen Frist möglicherweise überschätzt werden. "Für die betrachteten europäischen Länder und den betrachteten Zeitraum rennt der Mensch vielmehr mit anstatt gegen die Maschine".
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Dr. Ulrich Zierahn, Telefon 0621/1235-280, E-Mail zierahn@zew.de