Vorsicht beim Einsatz neuer Instrumente zur Kontrolle des Wohnimmobilienmarkts
ForschungUm eine mögliche Überhitzung des Wohnimmobilienmarkts verhindern zu können, hat der deutsche Gesetzgeber sogenannte makroprudenzielle Instrumente für den Hypothekenmarkt geschaffen. Vorsicht ist allerdings angebracht, wenn es tatsächlich zur praktischen Anwendung dieser neuen Regelungen kommen sollte: Da bereits weitreichende Regulierungen für die Wohnimmobilienfinanzierung vorhanden und die Kreditvergabepraktiken stabilitätsorientiert sind, bestünde die Gefahr einer Überregulierung. Insbesondere könnte die Wohneigentumsbildung bei Haushalten in Deutschland behindert werden, die über wenig Eigenkapital verfügen, aber ein hohes laufendes Einkommen haben und vergleichsweise günstige Immobilien kaufen möchten.
Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln durchgeführt hat. Für die Studie wurden sowohl makroökonomische Daten als auch Mikrodaten auf der Ebene privater Haushalte ausgewertet. Zudem wurden die bisherigen Erfahrungen mit makroprudenziellen Maßnahmen außerhalb Deutschlands analysiert.
Für den Fall einer drohenden Überhitzung am deutschen Wohnimmobilienmarkt kann der Staat künftig bei Einzelfinanzierungen verbindliche Obergrenzen für die maximale Kredithöhe im Verhältnis zum aktuellen Marktwert der Immobilie und/oder Mindestanforderungen an die Tilgung festsetzen, also beispielsweise einen Zeitraum festlegen, in dem ein bestimmter Anteil des Darlehens spätestens getilgt werden muss. Seit Anfang Juni 2017 gilt ein entsprechendes Gesetz. Zwar wurde durch die Bundesregierung betont, dass aktuell keine Überhitzung am Immobilienmarkt vorliegt, die neu geschaffenen Regelungen können dennoch jederzeit aktiviert werden.
Gemischte Erfahrungen mit makroprudenziellen Instrumenten
Die Untersuchung von ZEW und IW Köln zeigt, dass die bisherigen Erfahrungen mit makroprudenziellen Instrumenten im Ausland gemischt sind. Rechtliche Begrenzungen der maximal zulässigen Kredithöhe im Verhältnis zum Immobilienwert können aber als relativ treffsicheres Instrument gelten, da sie das Wachstum der Hypothekenkreditmenge in Boomphasen erfahrungsgemäß wirksam begrenzen. Gerade in Deutschland ist der Zusammenhang zwischen Kreditwachstum und Hauspreisentwicklung jedoch eher schwach ausgeprägt. Daher könnte auch die Gesamtwirkung der makroprudenziellen Instrumente schwächer sein. Die deutsche Wohnimmobilienfinanzierung ist zudem auf der Mikroebene konservativ: auch aufgrund bestehender Regulierungen bringen die meisten Wohnungskäufer bereits heute hohe Eigenkapitalquoten in ihre Finanzierungen ein und tilgen zudem kontinuierlich. Aufgrund der vorherrschenden langen Zinsbindungen ist es außerdem unwahrscheinlich, dass bei steigenden Marktzinsen kurzfristig eine hohe Anzahl von Kreditausfällen auftreten würde, wie es etwa bei der US-amerikanischen Immobilienkrise der Fall war.
Nichtsdestotrotz hätte eine Anwendung der makroprudenziellen Instrumente, insbesondere die Begrenzung der Kredithöhe-Immobilienwert-Relation, erhebliche Folgen für die Haushalte. Laut repräsentativer Mikrodaten wählen 20 Prozent der deutschen Wohnungskäufer, die ihre Immobilie mit einem Hypothekenkredit finanzieren, eine Kredithöhe-Marktwert-Relation von mehr als 90 Prozent. Diese Haushalte weisen jedoch in der Regel geringe Zins- und Tilgungsbelastungen relativ zu ihrem Einkommen auf und erwerben zudem oft vergleichsweise günstige Immobilien. Eine Kappung der Kredithöhe-Marktwert-Relation könnte damit Haushalte von der Kreditvergabe ausschließen, bei denen es bislang keine nennenswerten Ausfallhäufigkeiten gab. Dies wiederum würde die Vermögensbildung im Bereich des selbstgenutzten Wohneigentums in Deutschland erschweren. Nicht zuletzt würde eine Beschränkung der Kredit-Immobilienwert-Relation die infolge des Niedrigzinsumfelds unter Druck stehende Profitabilität der Banken weiter einschränken.
Für Rückfragen zum Inhalt
Dr. Oliver Lerbs, Telefon 0621/1235-147, E-Mail oliver.lerbs@zew.de
Prof. Dr. Michael Voigtländer, Telefon 0221/4981-741, E-Mail voigtlaender@iwkoeln.de