ZEW-Konferenz zur (Des-)Integration in Europa
European IntegrationDas ZEW organisierte gemeinsam mit dem Mannheimer Sonderforschungsbereich „Die Politische Ökonomie von Reformen“ (SFB 884) am 2. und 3. Mai 2019 die jährliche ZEW Public Finance-Konferenz. Der Fokus lag auf der politischen Ökonomie europäischer (Des-)Integration. Rund 100 Teilnehmende diskutierten zu diesem sowie weiteren Themen der öffentlichen Finanzen und der politischen Ökonomie während der zweitägigen Konferenz in Mannheim.
Als erster Hauptredner der Konferenz sprach Sascha Becker, Professor für Volkswirtschaftslehre und stellvertretender Direktor des Centre for Competitive Advantage in the Global Economy (CAGE) an der University of Warwick im Vereinigten Königreich. In seinem Vortrag legte er den Fokus auf die weitreichenden Konsequenzen von Aus- und Abwanderung. Becker betonte anhand des aktuellen Forschungsstands die unterschiedlichen Auswirkungen von erzwungener Migration, ausgelöst durch Kriege, Vertreibung oder Naturkatastrophen, sowie freiwilliger Migration, die oftmals auf Kosten-Nutzen-Abwägungen beruht. Darauf aufbauend präsentierte er seine Studie, die den Einfluss erzwungener Migration auf Investitionen in Humankapital untersucht. Obwohl diese Frage schon vielfach untersucht wurde, ist es schwierig, den reinen Effekt von sozioökonomischen und kulturellen Einflüssen abzukoppeln.
Becker und seine Koautoren lösen dieses Problem mithilfe einer empirischen Fallstudie: Sie untersuchen die erzwungene Migration von Millionen von Polen durch die Verschiebung der Landesgrenzen nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Vergleich von migrierten Polen mit nicht-migrierten Polen zeigt, dass die zur Migration gezwungenen Polen über drei Generationen hinweg in den mobilen Vermögensgegenstand Bildung investieren und somit über ein höheres Niveau an Humankapital verfügen. Dieses Ergebnis ist laut Becker auch für die aktuelle Politik relevant: Kriegsflüchtlinge sollten unkomplizierten Zugang zu Bildung erhalten.
Mehr Optimismus in Europa
Andrew Moravcsik, Politikprofessor an der Princeton University in den USA, hielt die zweite Keynote. In seinem Vortrag ging er insbesondere auf die Frage ein, warum Europa eine optimistischere Sicht auf die eigene Lage haben sollte. Hierbei betonte er Europas großen globalen Einfluss, dem zahlreiche Allianzen, eine starke Rolle in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit sowie Erfolge in der Sicherheitspolitik zu verdanken sind. Auch die Reaktion Europas auf die Flüchtlingskrise ab dem Jahr 2015 sei in vielen Bereichen erfolgreich gewesen. Selbst der Aufschwung populistischer Parteien ist für ihn weniger schlimm als allgemein angenommen: „Sie bellen mehr, als dass sie beißen“, so Moravcsik. Hinsichtlich der Euro- und Makropolitik hob er positiv hervor, dass der Euro noch nicht kollabiert sei, aber ihn heutzutage trotzdem niemand mehr einführen würde. Er prognostizierte, dass ungelöste Probleme um stark verschuldete Staaten zukünftig noch zu einer Herausforderung für den Integrationsprozess werden könnten.
Aktuelle Forschung zur politischen Ökonomie in der EU
In insgesamt 16 Sessions referierten und diskutierten internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu weiteren aktuellen Forschungsergebnissen. Die Präsentationen thematisierten verschiedene Bereiche der Steuerforschung, Finanzwissenschaft und der politischen Ökonomie. Neben Vorträgen zur optimalen Einkommensbesteuerung, zu Steuervermeidung, Euroraum-Reform und zum Fiskalföderalismus war das Kernthema der Konferenz Programm: Mehrere Vortragende referierten zur politischen Ökonomie von EU-Geldern, zu Populismus, Lobbyismus, Immigration und Demokratie.