Ist der deutsche Mittelstand gegen die Krise gewappnet? Mittelständler kalkulieren wirtschaftliche Schwächephasen ein"

Nachgefragt

Großkonzerne, die in der Rezession zum Teil große Probleme haben, dominieren die öffentliche Diskussion. Wie aber schlägt sich der deutsche Mittelstand? Dr. Christian Rammer, stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung am ZEW, analysiert die Unternehmensstrategien und Perspektiven des Mittelstands in der aktuellen Wirtschaftskrise.

Dr. Christian Rammer, Jahrgang 1966, studierte Regionalwissenschaften an der Universität Wien und der TU Wien. Nach seiner Promotion 1997 wechselte er zum Austrian Research Center. Seit 2000 am ZEW tätig, fungiert er heute als stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Innovationsforschung und der Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Rammer leitet die jährliche Innovationserhebung des ZEW (Mannheimer Innovationspanel) und erstellt die ZEW-Beiträge zu den Themen Innovation und Gründungen für den jährlichen Bericht der "Expertenkommission Forschung und Innovation" der Bundesregierung. Neben seinem Engagement in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaften berät Rammer unter anderem die Europäische Kommission zu Fragen der Innovationspolitik.

Wie hart trifft die Wirtschaftskrise den Mittelstand in Deutschland?
Rammer: Der deutsche Mittelstand umfasst – wie immer man ihn konkret abgrenzen mag – rund drei Millionen Unternehmen. Es liegt auf der Hand, dass nicht alle diese Firmen die Rezession in gleicher Weise spüren. Es gibt eine große Zahl von Mittelständlern, die durch die Krise hart getroffen wurden. Es gibt aber auch viele Unternehmen, die sich bislang vor negativen Auswirkungen schützen konnten. Relativ gut geht es etwa denjenigen Unternehmen, die die Binnennachfrage bedienen, also z.B. Konsumgüter oder Dienstleistungen für Konsumenten in Deutschland anbieten. Denn dank wichtiger arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen wie beispielsweise dem Kurzarbeitergeld ist die Konsumlaune der Deutschen weitgehend ungetrübt und auch der Staat sorgt durch seine Konjunkturpakte für eine stabile Nachfrage. Kräftige Nachfrageeinbrüche müssen dagegen die exportorientierten Unternehmen und die Investitionsgüterhersteller verkraften, da die Absatzmärkte weltweit eingebrochen sind.

Wer wird in der Krise mehr Federn lassen - der Mittelstand oder die Großunternehmen?
Rammer: Die meisten mittelständischen Unternehmen werden die Krise sicherlich souverän durchstehen, vor allem weil sie eine solide, langfristig ausgelegte Finanzierungs- und Unternehmensstrategie verfolgen. So ist die Eigenkapitalquote vieler Mittelständler hoch, bei Bankkrediten wendet sich der Betrieb meist nur an die eigene Hausbank und viele Projekte werden kurzfristig über Kontokorrentkredite finanziert. In der Vergangenheit wurde diese Finanzierungsstrategie zwar gerne als wenig wachstumsorientiert und zu teuer kritisiert. Nun erweist sie sich aber als vergleichsweise krisenresistent, da diese Unternehmen kaum direkte Auswirkungen der Bankenkrise zu spüren bekommen. Und was noch wichtiger ist: viele Mittelständler kalkulieren wirtschaftliche Schwächephasen von Anfang an mit ein und legen in den guten Jahren ein finanzielles Polster für die auftragsschwachen Zeiten an. Gewinne werden also in guten Jahren nur zum Teil ausgeschüttet oder in Übernahmen und andere risikoreiche Investitionsvorhaben gesteckt. Mit dem anderen Teil werden Rücklagen gebildet. Mit diesen finanzieren die Unternehmen dann in wirtschaftlich schwierigen Zeiten beispielsweise die Entwicklung neuer Produkte und Technologien, mit denen sie dann beim nächsten Aufschwung an den Markt gehen.

Setzt der Mittelstand im Vergleich mit den Konzernen also stärker auf alte Kaufmannstugenden anstatt auf Gewinnmaximierung?
Rammer: So plakativ würde ich das nicht sagen. Richtig ist aber, dass langfristig orientierte Mittelständler in einer Boomphase nicht jede sich bietende Wachstumsmöglichkeit nutzen. Sie bauen ihre Kapazitäten eher langsam aus. Dadurch wachsen sie in der Hochkonjunktur nicht so schnell wie die großen Konzerne, in der Rezession haben sie dafür aber auch weniger Überkapazitäten und eine günstigere Kostenstruktur. Sie tun sich daher leichter, durch die Krise zu kommen. Sie müssen nicht so tiefe Einschnitte vornehmen wie Unternehmen, die in der Hochkonjunktur ihre Kapazitäten kräftig ausgeweitet haben oder riskante Übernahmen eingegangen sind.