Steuerersparnisse fördern Produktivität und Innovation
ForschungZEW-Studie zeigt: Verschärfte Mantelkaufregelungen haben Folgen für Fusionen und Übernahmen sowie für Gesamtwirtschaft
Steuerliche Konsequenzen sind ein wichtiger Entscheidungsfaktor für Fusionen und Übernahmen. Schränkt der Staat die Möglichkeit ein, dass der Käufer die steuerlichen Verluste des gekauften Unternehmens weiter nutzen kann, sinkt die Zahl der Fusionen und Übernahmen mit Firmen, die wahrscheinlich Verlustvorträge angesammelt haben, um 22 Prozent – das zeigt eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim.
Die ZEW-Studie untersucht, wie sich für die Jahre 1998 bis 2019 Beschränkungen der steuerlichen Verlustübernahme nach substanziellen Anteilseignerwechseln, sogenannten Mantelkaufregelungen, in den Mitgliedstaaten der EU plus Norwegen auswirken. Sie beruht unter anderem auf Daten der Datenbanken Zephyr und Orbis, Eurostat, sowie des europäischen Patentamts.
Unternehmensgewinne werden ungleich behandelt
Staaten behandeln Unternehmensgewinne steuerlich oft asymmetrisch: Sie besteuern Gewinne, gewähren aber keine Steuererstattung für Verluste. Diese müssen die Unternehmen vielmehr in die Vergangenheit oder in die Zukunft übertragen (Verlustrück- oder -vortrag). Vorschriften gegen die steuerliche Verlustübernahme regeln bei Fusionen und Übernahmen, ob und wie der Käufer Verluste des übernommenen Unternehmens nach der Übernahme verwenden kann, um sein steuerpflichtiges Einkommen zu senken. Können Verluste unbegrenzt übertragen werden, erwerben Käufer möglicherweise aus rein steuerlichen Gründen verlustbringende Unternehmen. Staatliche Einschränkungen dieser Praxis zielen darauf ab, steuerlich motivierte Transaktionen zu verhindern und so die Steuern als Staatseinnahmen zu sichern.
Wird die europäische Innovationsfähigkeit beeinträchtigt?
Die Beschränkungen können allerdings durch die Veränderung von Anreizen auch ökonomisch wünschenswerte Transaktionen treffen. Eine Verschärfung der Regelungen zur steuerlichen Verlustübernahme scheint gerade junge Unternehmen zu beeinträchtigen. „Wir sehen ebenso Auswirkungen bei Marktein- und -austritten von Unternehmen“, sagt Studienautor Prof. Dr. Johannes Voget, Professor an der Universität Mannheim und Research Associate im ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“. Rund zehn Prozent weniger Firmen treten in den Markt ein. Auch die Überlebensrate junger Unternehmen sinkt, und zwar um vier Prozent. „Dies könnte die Zusammensetzung des Marktes verändern und durchaus Unternehmensgründer/innen abschrecken“, so Voget.
Insgesamt leidet die gesamtwirtschaftliche Produktivität bei strengen Regelungen. „Dieser negative Effekt ist in forschungsintensiven Branchen deutlich stärker ausgeprägt als in Branchen, die kaum Forschung und Entwicklung betreiben“, sagt Ko-Autorin Junior Prof. Dr. Barbara Stage, Juniorprofessorin an der WHU – Otto Beisheim School of Management und ZEW Junior Research Associate. In diesem Zusammenhang ist es laut ZEW-Studie stimmig, dass die Zahl der angemeldeten Patente bei einer Verschärfung der Regelungen fällt. Bei sehr restriktiven Anti-Missbrauchsvorschriften gegen Verlustübernahmen drohen indes wie beschrieben erhebliche wirtschaftliche Folgen, die die Innovationsfähigkeit eines Standorts schwächen könnten.