Deutscher Innovationsvorsprung bei Kohlekraftwerken gefährdet – China holt auf
ForschungJapan und Deutschland haben einen klaren Innovationsvorsprung bezüglich innovativer Kohletechnologien. Angesichts der sinkenden heimischen Bedeutung von Kohle droht dieser Vorsprung allerdings verloren zu gehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim in Zusammenarbeit mit der Hochschule Augsburg, dem Institute for Policy and Management (IPM) in Peking sowie dem Forschungszentrum Jülich (FZJ). Die Studie wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erstellt.
Seit den 1990er Jahren haben sich in Deutschland und Japan sogenannte Lead-Märkte für effiziente Kohletechnologien herausgebildet. Dabei handelt es sich um Märkte, auf denen sich eine Innovation als erstes durchsetzt, bevor sie in anderen Ländern Verbreitung findet. So sind Japan und Deutschland etwa bei der Entwicklung ultra-superkritischer Kohlekraftwerke (USC) führend, Deutschland folgt nach Japan auf Platz zwei bezüglich des Handeslbilanzüberschusses bei Dampfturbinen. Diesen technologischen Vorsprung konnte Deutschland vor allem deshalb auf- und ausbauen, weil die Kohle bis vor wenigen Jahren in der deutschen Gesellschaft als Energieträger voll akzeptiert war. In den vergangenen zehn Jahren hat jedoch ein Paradigmenwechsel eingesetzt hin zu erneuerbaren Energien, in dessen Folge Kohlekraftwerke kaum noch neu gebaut oder finanziell gefördert werden. Dagegen herrschen in anderen Ländern, wie etwa in China, kohlefreundliche Rahmenbedingungen. Dort werden jährlich rund 50 neue Kohlekraftwerke gebaut. Als Folge dieses enormen Marktwachstums baut China ein wachsendes technologisches Know-how auf, mit dem es ihm möglich wird, Deutschland den Rang abzulaufen.
"Deutschland läuft Gefahr, seine führende Weltmarktposition bei effizienter Kohletechnologie zu verspielen. Das ist gerade deshalb eine negative Entwicklung, da Kohle weltweit betrachtet in den kommenden Jahrzehnten eine wichtige Energiequelle darstellt und mit innovativer Kohletechnik nicht nur Geld verdient, sondern auch ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden kann", sagt Dr. Klaus Rennings, Umweltökonom am ZEW. "Während in Deutschland die Kernenergie zu ersetzen ist, stillen aufholende Volkswirtschaften wie China und Indien ihren wachsenden Energiehunger zusätzlich zu erneuerbaren Energien vor allem mit Kohle."
Wie die Studie zeigt, hat China im Bereich der Kohletechnologien bereits deutlich aufgeholt. So verbucht das Reich der Mitte gegenüber Deutschland deutliche Vorteile bei für Lead-Märkten wichtigen Parametern, wie etwa Preisen, Nachfrage und Regulierungsvorgaben. China verfolgt eine sogenannte Leapfrogging-Strategie, das heißt es nutzt Vorteile bei den Arbeitskosten aus und überspringt einzelne Technologiestufen. So konnte das Land bereits zum Marktführer im Segment von Kesseln niedriger und mittlerer Qualität aufsteigen.
Der chinesische Markt ist sehr dynamisch. Laut neuem Fünf-Jahres-Plan wollen die Chinesen ein noch innovativeres 700°C Kohlekraftwerk bauen, was mit Technologieführerschaft gleichzusetzen wäre. Auch wenn der Erfolg dieses Ziels in Zweifel zu ziehen ist, da China bislang kaum Erfahrung in der Entwicklung neuer Technologien besitzt, stellt sich doch die Frage, wie lange der deutsche Innovationsvorsprung noch anhalten wird.
"Die Studie macht deutlich, dass energieeffizientere Kohlekraftwerke und Klimaschutz in einer globalisierten Wirtschaft zumindest in den nächsten Jahrzehnten keine Gegensätze sind," sagt Rennings. "Wenn Deutschland in der effizienten Kohletechnik weiterhin eine führende Rolle spielen will, müssen Politik und Gesellschaft den Stellenwert von Kohle neu bewerten und ein innovationsfreundliches Klima in diesem Bereich schaffen."
Die Studie ist Teil des Projekts “Lead Market Strategien: First Mover, Early Follower und Late Follower”.
Für Rückfragen zum Inhalt
Dr. Klaus Rennings, Telefon 0621/1235-207, E-Mail rennings@zew.de