Im Zentrum der Transformation
VeranstaltungsreihenWirtschaftspolitik aus erster Hand mit Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa
Die Lufthansa befindet sich in herausfordernden Zeiten. Die Corona-Pandemie brachte den internationalen Luftverkehr fast zum Erliegen — bei der Lufthansa musste der Staat finanziell einspringen. Diese Krise scheint nun weitestgehend überstanden, die Branche insgesamt verzeichnet steigende Wachstumszahlen. Was die Luftfahrt aber beschäftigt, ist die Transformation hin zum klimaneutralen Fliegen. Doch wie kann dieser Wechsel für die Lufthansa gelingen, wenn die Regulierung des europäischen Flugverkehrs zunimmt, die Wettbewerber im Ausland aber weiter ohne Verschmutzungszertifikate CO2 ausstoßen dürfen? Diese und weitere Fragen diskutierte Präsident Prof. Achim Wambach, PhD am 7. November 2022 mit Carsten Spohr, Vorstandsvorsitzender der Lufthansa, im Rahmen der ZEW-Veranstaltungsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ in Mannheim.
Viel, was Carsten Spohr aktuell durch den Kopf geht, hat mit dem zu tun, was auch die Wirtschaftswissenschaftler beschäftigt. Vor allem das Thema Umwelt. Aber auch die Bedeutung von Industrie- und Wettbewerbspolitik hebt Spohr zu Beginn seines Vortrags am Mannheimer ZEW hervor. Zunächst warf der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa AG aber einen Blick in die Vergangenheit: „Wenn über Nacht 90 Prozent des Umsatzes fehlen, haben sie keine Chance.“ Spohr erinnerte an den „Schock“ der Corona-Pandemie und die globalen Beschränkungen des Flugverkehrs. Der Staat rettete damals die Lufthansa AG – allerdings zu einem hohen Preis, so Spohr. Der Preis beinhaltete 20-Prozent Staatsbeteiligung und „teure Kredite“. Mittlerweile seien die Kredite zurückbezahlt und auch der Staat hat seine Beteiligung wieder verkauft – mit einem Plus von einer Milliarde Euro. Spohr gestand, dass er dieses Geld lieber im Konzern behalten hätte. Die Lufthansa-Rettung sei damit aber abgeschlossen.
Von der Pandemie blieben für die Lufthansa aber zwei Dinge: Zum einen sei die Branche diesen Sommer „von der finanziellen in eine operative Krise“ geraten. Das System „Verkehrsfliegerei“ sei mit dem Restart überfordert gewesen. An vielen Stellen fehlte Personal, um Flüge in gewohnter Effizienz abfertigen zu können. Zehn Prozent der Flüge musste die Lufthansa AG laut Spohr streichen. Von einem Viertel der Mitarbeiter/innen habe man sich krisenbedingt getrennt. Derzeit stelle man aber wieder neue ein. Zum anderen bliebe die Verzerrung des globalen Wettbewerbs. Bei vielen internationalen Wettbewerbern aus der Golf-Region wisse man gar nicht, wie viel Geld von den jeweiligen Staaten in die Fluggesellschaften geflossen sei, sagte Spohr. Dass das Geld aber nicht zurückgezahlt wurde und wird, so Spohr, sei klar.
Über den Emissionshandel und synthetische Kraftstoffe
Beim Thema Umwelt mangele es laut Spohr an fairen globalen Wettbewerbsbedingungen. In Brüssel werde teilweise diskutiert, synthetische Kraftstoffe für innereuropäische Flüge verpflichtend einzuführen ohne zu Bedenken, dass sich die Treibstoffkosten pro Liter dadurch verfünffachten. Ähnlich beschrieb Spohr Kosten durch den Emissionsrechtehandel, worunter ebenso nur Flüge innerhalb von Europa fallen. Dadurch würden falsche Anreize geschaffen: „Die Umwelt hat nichts davon, wenn jemand inzentiviert wird von Sofia nach San Francisco noch über Dubai zu fliegen, weil das so viel günstiger ist.“
Auch in der Diskussion mit ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, ging es um das Spannungsverhältnis zwischen Industriepolitik und Klimaschutz durch Regulierung. „Fit for 55“ – das Klimapaket der EU, das unter anderem vorsieht, die Treibhausgase in Europa bis 2030 um 55 Prozent zu verringern – habe Spohr wegen einer Benachteiligung im globalen Wettbewerb kritisiert, so Wambach. Der ZEW-Präsident wollte wissen, ob ein Grenzausgleichsystem eine Lösung wäre, um die Wettbewerbsfähigkeit der Lufthansa zu sichern. „Wir sind ganz klar ein Supporter von Fit for 55“, sagte Spohr. Ein Grenzausgleich müsse aber Teil der Umsetzung sein. Der umsteigende Gast, der von Stockholm nach Singapur will, müsse entweder überall, wo er umsteigt am Fit-for-55-Programm teilnehmen, oder eben nicht.