Höhepunkt bei der Inflation überwunden
VeranstaltungenWirtschaftspolitik aus erster Hand am ZEW zu Herausforderungen der Geldpolitik in Zeiten hoher Inflation
Das Umfeld für die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sich radikal geändert. In den letzten beiden Jahren hat die Inflation in Deutschland und dem Euroraum den höchsten Stand seit Euro-Einführung erreicht. Diese hohe Geldentwertung führt zu ökonomischen und sozialen Verwerfungen. Prof. Dr. Isabel Schnabel, Mitglied des Direktoriums der EZB, erklärte am 19. April 2023 am ZEW Mannheim im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“, ob vehemente Zinserhöhungen das richtige Mittel sind, um die Inflation zu reduzieren und wo bei den Zentralbanken die Möglichkeiten sowie Grenzen der Geldpolitik liegen.
„Mit Frau Prof. Dr. Isabel Schnabel haben wir am heutigen Abend einen hochkarätigen Gast. Wir möchten mit ihr über die Handlungen der EZB in Krisenzeiten sprechen und einen kurz- bzw. mittelfristigen Blick auf die Zukunft der europäischen Finanzpolitik werfen“, erklärte ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach gleich zu Beginn der Veranstaltung.
Finanzstabilität in Krisenzeiten
„Die Corona-Krise und die gestiegenen Energiepreise waren Schocksituationen und haben die Inflation in ganz Europa ungewöhnlich stark getrieben. Die EZB hat in der Folge die Zinssätze kräftig erhöht“, macht Ökonomin Schnabel in ihrem Impulsvortrag klar. Als Begründung für die Zinserhöhungen führt sie die global erhöhten Inflationsraten und den Auftrag der EZB, für Finanzstabilität im Euroraum zu sorgen, an. Schnabel verdeutlicht ebenso, dass gestiegene Löhne ein entscheidender Faktor für die Inflationsentwicklungen sind. „Es fehlt überall an Personal, nicht nur in Deutschland. Die Löhne sind in der Folge spürbar angestiegen. Allerdings lagen die Lohnsteigerungen unter den Inflationsraten. Es kam für viele Menschen zu Reallohnsenkungen“, fügt Schnabel hinzu.
„Die Inflationsraten sind europaweit zu hoch. Das schwächt Europa als Wirtschaftsstandort. Wenn wir das Problem nicht in den Griff kriegen, dann werden die Investitionen möglicherweise langfristig reduziert. Ein Wohlstandsverlust in Europa und speziell in Deutschland wäre die Folge“, mahnt ZEW-Präsident Wambach. Die vergangenen Zinserhöhungen hält EZB-Direktoriumsmitglied Schnabel für notwendig und gerechtfertigt: „Hätte die EZB nicht gehandelt und das niedrige Zinsniveau beibehalten, dann würden wir heute über weitaus höhere Inflationsraten und folglich über volatilere Aktienmärkte sprechen. Die Aktienmärkte haben sich aber überraschend stabil gehalten.“
Inflation bleibt langfristig ein Problem
„Während der Corona-Krise war es notwendig mit Hilfsprogrammen zu unterstützen. Bei der EZB waren die Corona-Jahre davon geprägt, dass diese schwere Krise unbedingt überwunden werden musste. Im Nachhinein kann ich sagen, dass wir die Gefahren durch die Inflation unterschätzt haben“, antwortet Direktoriumsmitglied Schnabel auf die Frage, ob die EZB ihren Kurs bei der Zinspolitik zu spät geändert habe.
„Letztlich tragen wir mit unseren Maßnahmen dazu bei, die Finanzstabilität zu wahren. Die Inflationsrate ist zuletzt wieder gesunken. Parallel dazu haben wir die europäische Wirtschaft nicht abgewürgt“, stellt sie fest. Dennoch hebt Prof. Dr. Schnabel hervor, dass die Inflationsrate auch kommendes Jahr noch erhöht bleiben könnte. „Die Inflation hält sich hartnäckig. Unsere oberste Aufgabe als Währungshüter ist es, der Inflation Einhalt zu gebieten. Deshalb halten wir selbstverständlich an dem 2-Prozent-Ziel fest“, betont sie abschließend.