Gründungen in FuE-intensiven Industriezweigen gehen besorgniserregend zurück

Forschung

Unternehmensgründungen sind in Deutschland gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen.

Im Jahr 2018 ist die Anzahl der Unternehmensgründungen in Deutschland gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen. Dieser Rückgang ist der stärkste seit 2014 und beträgt fast vier Prozent. Bei rund 155.000 Unternehmensgründungen im Jahr 2018 sind das 6.000 Neugründungen weniger als noch 2017 und fast 60.000 weniger als vor zehn Jahren. Besorgniserregend sind insbesondere die rückläufigen Gründungszahlen in den Industriezweigen, die besonders intensiv Forschung und Entwicklung (FuE) betreiben. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim für die gemeinsam mit Creditreform herausgegebene Zeitschrift „Junge Unternehmen“. Basis der Auswertung sind die aktuellen Zahlen aus dem Mannheimer Unternehmenspanel (MUP) des ZEW.

Die geringere Anzahl an Gründungen im Jahr 2018 erklärt sich zum einen aus der nach wie vor guten Lage am Arbeitsmarkt und den dadurch guten Beschäftigungsmöglichkeiten. Aufgrund dieser günstigen Situation besteht kein großer Druck für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Zum anderen geht die Anzahl an potenziellen Gründerinnen und Gründern bereits seit einigen Jahren zurück, weil die gründungsstarken Altersklassen demographiebedingt stetig schrumpfen.

Die Berechnungen des ZEW zeigen, dass der Rückgang der Gründungen nicht alle Branchengruppen der deutschen Wirtschaft gleichermaßen betrifft. So fällt etwa der Rückgang der Gründungstätigkeit im Handel mit zehn Prozent besonders hoch aus. Ursache hierfür könnte zum einen die Befürchtung einer sich eintrübenden Konjunktur sein, die über Nachfragerückgänge direkte Auswirkungen auf die Geschäftsmöglichkeiten im Handel hätte, zum anderen aber auch die aktuell schwierigeren globalen Handelsbedingungen, die für Gründungen, die auf Außenhandel setzen (Im- und Export), eher düstere Aussichten erwarten lassen.

„Anlass zu Besorgnis gibt allerdings der deutliche Rückgang bei den Gründungen in den Industriebranchen und hier insbesondere in der FuE-intensiven Industrie“, sagt Dr. Georg Licht, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs "Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik". „Denn der starke Rückgang der Gründungen in den FuE-intensiven Industriezweigen der Spitzentechnologie sowie der höherwertigen Technologie lässt sich im Gegensatz zum Handel mit den Bedingungen der allgemeinen Konjunkturlage und im globalen Handelsumfeld kaum erklären.“ Gerade die Gründungen in der FuE-intensiven Industrie weisen häufig einen höheren Grad der Spezialisierung auf und sehen sich daher naturgemäß einem kleineren Wettbewerbsumfeld gegenüber. Dies sollte sie eigentlich widerstandsfähiger gegenüber Einbrüchen der aggregierten Nachfrage machen. Gleichwohl wurden im Jahr 2018 nur noch etwas mehr als 1.100 Unternehmen und damit 15 Prozent weniger als im Vorjahr in den FuE-intensiven Industriebranchen gegründet.

Allgemeine Dokumente

Publikation „Junge Unternehmen“

Schlagworte

Entwicklung bei FuE-intensiven Start-ups ist nicht zufriedenstellend

„Zwar ist ein Rückgang der Gründungstätigkeit in FuE-intensiven Industrien nicht per se ein Indikator für sinkende Innovationskraft einer Volkswirtschaft, vollzieht sich doch ein Großteil der Innovationsaktivitäten in Deutschland innerhalb etablierter Unternehmen. Jedoch sagt der Indikator viel darüber aus, in welchem Wettbewerbsumfeld diese etablierten Unternehmen stehen“, erklärt ZEW-Ökonom Dr. Johannes Bersch, der die Berechnungen zur Gründungstätigkeit durchgeführt hat. Viele neue Technologiefelder wurden erst durch Start-ups in den Markt gebracht und fanden erst danach entweder durch Aufkauf der Technologie oder Akquise des Start-ups ihren Weg in die etablierten Unternehmen. Sofern sich das deutsche Innovationssystem also nicht grundlegend hin zu einer noch stärkeren Rolle der etablierten Unternehmen entwickelt, ist die Entwicklung bei FuE-intensiven Start-ups mit Blick auf die globale Wettbewerbsstärke der deutschen Wirtschaft nicht zufriedenstellend.
 
Im Gegensatz zur Industrie, dem Baugewerbe und dem Handel bleibt die Gründungstätigkeit in den Dienstleistungsbranchen im Vergleich zu den Vorjahren nahezu konstant. Dies könnte im Falle der sonstigen Dienstleistungen auf die relativ schwächere Eingebundenheit in globale Märkte zurückzuführen sein. Bei den technologieorientierten Dienstleistungen hingegen spielt vermutlich die zunehmende Digitalisierung und die große Bedeutung von Start-ups im Allgemeinen in diesem Marktumfeld die entscheidende Rolle.

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