Starke Übergewichtung Italiens und Spaniens in PEPP und PSPP

Forschung

ZEW-Studie zu den EZB-Anleihekaufprogrammen

Nach einer Studie des ZEW zeigen sich zwischen beiden bestehenden Programmen überraschende Resultate.

Die Anleihekäufe des Eurosystems seit Beginn der Corona-Pandemie weichen in ihrer Aufteilung auf die Euro-Staaten sehr stark vom EZB-Kapitalschlüssel ab. Verglichen mit dem Kapitalschlüssel wurden italienische Staatsanleihen zwischen März und September 2020 um 25 Prozent übergewichtet. Für Spanien beträgt die Übergewichtung elf Prozent, für Belgien sieben Prozent und für Slowenien und Frankreich noch drei Prozent. Dies zeigt eine Studie zu den EZB-Wertpapierkaufprogrammen, die Forscherinnen und Forscher des ZEW Mannheim mit Unterstützung der Brigitte Strube Stiftung erarbeitet haben.

Das Eurosystem kauft Staatsanleihen im Rahmen von zwei verschiedenen Programmen. Im bereits seit 2015 laufendenden PSPP (Public Sector Purchase Programme) gilt der EZB-Kapitalschlüssel immer noch als verbindliche Orientierungsgröße. Dieser Schlüssel wird nach Einwohnerzahl und Wirtschaftsleistung eines Landes ermittelt und bestimmt die Anteile der nationalen Zentralbanken an der EZB. Für das seit März laufende neue Krisenankaufsprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) beansprucht der EZB-Rat hingegen eine größere Flexibilität.

Die ZEW-Studie bringt für beide Programme ein überraschendes Resultat zutage: Obwohl der EZB-Kapitalschlüssel für das PSPP gemäß der vom EZB-Rat gesetzten Regeln eine größere Verbindlichkeit als für das PEPP hat, sind die Abweichungen für das PSPP noch größer als beim PEPP. Während die Übergewichtung Italiens im PEPP 17 Prozent beträgt, liegt sie im PSPP mit 45 Prozent noch deutlich höher. Für Frankreich zeigt die getrennte Analyse beider Programme sogar umgekehrte Vorzeichen: Während Frankreich im PEPP mit 13 Prozent untergewichtet wird, ist das Land im PSPP mit 48 Prozent ausgesprochen stark übergewichtet. Deutschland wird im PEPP fast genau im Verhältnis zum deutschen Anteil am Kapitalschlüssel gekauft, dafür aber im PSPP massiv um 46 Prozent untergewichtet.

„Die Unterschiede zwischen beiden Programmen sind bemerkenswert. Die alleinige Betrachtung von PEPP ist irreführend. Es entsteht fast der Eindruck, als ob das Eurosystem hier Bilanzkosmetik betreibt. Denn in der Gesamtbetrachtung wird der Kapitalschlüssel tatsächlich noch stärker ignoriert, als das die PEPP-Zahlen alleine suggerieren. Für das Gesamtbild ist die kombinierte Analyse beider Programme somit unumgänglich“, sagt Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Leiter des ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ und Ko-Autor der Studie.

Die Analyse belegt außerdem, dass die Übergewichtung der genannten Länder schon lange vor der Corona-Krise begonnen hat. Gelang es der EZB und den nationalen Zentralbanken 2015 noch, die Anleihekäufe weitgehend im Verhältnis zum EZB-Kapitalschlüssel zu verteilen, sind die positiven Abweichungen im PSPP seitdem für einige Länder immer weiter gestiegen. „Die hohe Übergewichtung Italiens, Spaniens und Frankreichs im Krisenjahr 2020 setzt letztlich nur einen Trend fort, der schon seit 2018 sehr markant war“, so Heinemann.

Die ZEW-Studie setzt die Anleihekäufe dieses Jahr zudem ins Verhältnis zu den prognostizierten sehr hohen Staatsdefiziten der Euroländer im Rezessionsjahr 2020. Dabei zeigt sich, dass die Nettokäufe für Italien, Griechenland, Portugal und Deutschland auf der Höhe des vollständigen Staatsdefizits oder sogar darüber liegen. „Unsere Abschätzungen zeigen, wie sehr die Finanzierung der Euro-Staaten in diesem Jahr indirekt von den Zentralbanken gestützt wird“, erläutert Annika Havlik, Studien-Mitautorin und Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“.

Der Studie zufolge sollten die Anleihekaufprogramme in dieser Form nach dem Ende der Corona-Krise enden. „Staatsanleihekäufe der Euro-Zentralbanken mit diesen Ungleichgewichten sind allenfalls in der akuten Notlage der Corona-Rezession noch vom EU-Recht gedeckt. In einer konjunkturellen Normallage wäre ein solches Programm ein klarer Fall von monetärer Staatsfinanzierung. Für Europas Anleihemärkte bleibt die Frage spannend, wie sich hoch verschuldeter Euro-Staaten nach der Krise ohne diese massiven indirekten Finanzierungshilfen der Notenbanken wieder finanzieren können“, so das Fazit von Friedrich Heinemann.

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