Hochsteuerland Deutschland verliert im internationalen Wettbewerb
ForschungHohe Steuerbelastung macht Deutschland unattraktiv für Unternehmen und Fachkräfte
Deutschland ist im internationalen Steuerwettbewerb um Unternehmensinvestitionen als Hochsteuerland einzustufen. Bei der effektiven Steuer- und Abgabenbelastung hochqualifizierter Arbeitskräfte liegt Deutschland hingegen im Mittelfeld. Aufgrund der kürzlich eingeführten globalen Mindeststeuer dürfte die Besteuerung von Fachkräften in Zukunft an Relevanz gewinnen. Das zeigt der aktuelle BAK Taxation Index, der seit 20 Jahren vom ZEW Mannheim im Auftrag von BAK Economics erstellt wird.
Unternehmenssteuerbelastung stagniert seit 2009 auf hohem Niveau
Die durchschnittliche effektive Steuerbelastung für ein profitables Investitionsprojekt eines Unternehmens am Standort München liegt im Jahr 2023 bei 29,3 Prozent. Seit der grundlegenden Steuerreform im Jahr 2008 ist die Steuerbelastung für deutsche Unternehmen nahezu unverändert geblieben, während andere Industrie-Nationen wie Frankreich und die USA ihre Unternehmenssteuersätze gesenkt und damit aus steuerlicher Sicht deutlich an Attraktivität gewonnen haben. Sophia Wickel, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“, betont: „Für Kommunen besteht zumindest grundsätzlich die Möglichkeit, durch eine Anpassung ihrer Gewerbesteuer-Hebesätze am Steuerwettbewerb teilzunehmen. Prominentes Beispiel ist die Stadt Mainz, die durch eine Senkung des Gewerbesteuer-Hebesatzes die effektive Steuerbelastung von 27,7 Prozent auf 23,7 Prozent im Jahr 2022 senken konnte. Allerdings haben viele Kommunen in Deutschland in den vergangenen Jahren den Gewerbesteuer-Hebesatz angesichts klammer Kommunalfinanzen erhöht.“
Im internationalen Vergleich ist in den letzten 20 Jahren ein klarer Abwärtstrend bei den durchschnittlichen effektiven Unternehmenssteuersätzen zu beobachten. Betrug der nach Bruttoinlandsprodukt gewichtete internationale Durchschnitt des BAK Taxation Index im Jahr 2003 noch 31,7 Prozent, so liegt er im Jahr 2023 bei lediglich 23,6 Prozent.
Um diesen durch Steuerwettbewerb getriebenen Abwärtstrend zu stoppen, haben sich zahlreiche Staaten auf die Einführung eines globalen Mindeststeuersatzes von 15 Prozent ab dem Jahr 2024 geeinigt. Da die Steuerbelastung in Deutschland deutlich über diesem Niveau liegt, sind steuerpolitische Maßnahmen zur Senkung der Effektivbelastung trotz globaler Mindeststeuer weiterhin möglich. In Niedrigsteuerländern hingegen dürfte die effektive Steuerbelastung somit künftig höher ausfallen als bisher.
Globale Mindeststeuer könnte Steuerwettbewerb vermehrt auf hochqualifizierte Arbeitskräfte verlagern
„Durch die Einführung eines Mindeststeuer-Niveaus von 15 Prozent für Unternehmen könnte sich der Steuerwettbewerb zukünftig vermehrt auf die Besteuerung hochqualifizierter Arbeitskräfte verlagern“, erklärt Prof. Dr. Jost Heckemeyer, ZEW Research Associate im Forschungsbereich „Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft“ und Professor an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
„Verlieren Länder die Möglichkeit, sich über attraktive Unternehmenssteuersätze zu profilieren, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, über eine niedrige Steuer- und Abgabenbelastung die Arbeitskosten für Unternehmen zu senken und damit günstige Standortbedingungen zu schaffen“, sagt ZEW-Ökonom Johannes Gaul. „Dies gilt insbesondere für Hochqualifizierte, die so sehr gesucht werden, dass sie ein selbst bestimmtes Nachsteuer-Einkommen bei Unternehmen durchsetzen können.“
Deutschland liegt bei Steuerbelastung von hochqualifizierten Arbeitskräften im Mittelfeld
Im Gegensatz zur Unternehmenssteuerbelastung verbessert sich die Position Deutschlands im internationalen Vergleich für hochqualifizierte Arbeitskräfte deutlich. Wenngleich Deutschland mit einer effektiven Durchschnitts-Steuerbelastung von 40,3 Prozent zu einzelnen Nachbarländern wie Tschechien und Polen verhältnismäßig hohe Steuern aufweist, fällt die Steuerbelastung im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich, Dänemark oder Belgien gering aus. Somit liegt Deutschland nahe am Durchschnitt des BAK Taxation Index für hochqualifizierte Arbeitskräfte in Höhe von 40,2 Prozent.
Über den BAK Taxation Index
Seit 2003 ermitteln Ökonomen des ZEW im Auftrag von BAK Economics Effektivsteuersätze für den sogenannten BAK Taxation Index. Dieser bildet die durchschnittliche Effektivsteuerbelastung für Unternehmen und hochqualifizierte Arbeitskräfte auf Ebene der 26 Schweizer Kantone sowie an über 80 Standorten weltweit ab. Die unter konstanten Modell-Annahmen erstellte Zeitreihe ermöglicht es, Trends in der Effektivsteuerbelastung von Unternehmen sowie hochqualifizierten Arbeitskräften nachzuvollziehen.
Bei der Berechnung der Effektivsteuerbelastung für Unternehmen werden Steuern auf die Gewinne und das eingesetzte Kapital einer Kapitalgesellschaft berücksichtigt. Es werden sowohl die Tarifbelastungen dieser Steuern als auch die Interaktion der verschiedenen Steuerarten und die wichtigsten Regelungen zur Ermittlung der steuerlichen Bemessungsgrundlage einbezogen. Beispiele sind die Bestimmungen zur steuerlichen Abschreibung oder zur Vorratsbewertung.
Der BAK Taxation Index für hochqualifizierte Individuen misst den effektiven Durchschnittssteuersatz, der sich für alleinstehende Arbeitnehmer/innen ohne Kinder mit einem verfügbaren Einkommen von 100.000 EUR nach Steuern und Abgaben ergibt. Bei der Berechnung werden alle relevanten Steuern berücksichtigt, einschließlich der jeweiligen Vorschriften für die Ermittlung der Bemessungsgrundlage, beispielsweise die Abzugsfähigkeit von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung und zur betrieblichen Altersversorgung.