Ausmaß von Ungleichheit deutlich überschätzt

Forschung

ZEW-Studie: Prominente Schätzung zur Ungleichheit nach Steuern und Transfers verwendet wenig plausible Annahme

Das Ausmaß von Ungleichheit ist immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher und politischer Debatten. Eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim zeigt, dass die Ungleichheit nach Steuern und Transfers in den USA aktuell deutlich überschätzt wird.

Das Ausmaß von Ungleichheit ist immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher und politischer Debatten. Eine aktuelle Studie des ZEW Mannheim zeigt, dass die Ungleichheit nach Steuern und Transfers in den USA in einer bekannten Studie von Thomas Piketty, Emmanuel Saez und Gabriel Zucman deutlich überschätzt wird. Die drei Autoren nehmen an, dass viele staatliche Transfers so ungleich verteilt sind wie die Geldeinkommen. Die Annahme ist wenig plausibel und, wie die aktuelle ZEW-Studie zeigt, zumindest für die staatlichen Bildungsausgaben klar widerlegt.

Die öffentlichen Bildungsausgaben sind im Querschnitt eines Jahres über alle Einkommensbereiche annähernd gleich hoch. Nimmt man eine solche Gleichverteilung für sämtliche Staatsausgaben an, die sich nicht direkt einzelnen Personen zuteilen lassen, dann fällt die Ungleichheit nach Steuern und Transfers deutlich schwächer aus als unter der in der Piketty-Studie getroffenen Annahme. Die Mannheimer Wissenschaftler werteten dafür Daten von über drei Millionen US-Amerikanern/-innen aus.

Differenz halbiert sich – Ungleichheit bleibt aber groß

„Piketty, Saez und Zucman haben die Ungleichheitsforschung entscheidend vorangebracht. In der genannten Studie überschätzen sie die Ungleichheit nach Steuern und Transfers aber deutlich“, erklärt Prof. Dr. Holger Stichnoth, Leiter der Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“ am ZEW und Ko-Autor der Studie.

„Unsere Studie zeigt, dass der Anteil der reichsten zehn Prozent am Volkseinkommen um rund fünf Prozentpunkte schrumpft, während das Einkommen der ärmeren Hälfte um etwa denselben Betrag ansteigt, wenn nicht davon ausgegangen wird, dass Menschen mit mehr Einkommen auch entsprechend mehr von Staatsausgaben profitieren. Die Differenz zwischen den beiden Anteilen halbiert sich damit von rund 20 auf etwa zehn Prozentpunkte“, fasst Dr. Lukas Riedel, Ko-Autor und Wissenschaftler in der Forschungsgruppe „Ungleichheit und Verteilungspolitik“, die Kernergebnisse zusammen.

Laut der Piketty-Studie war das durchschnittliche Einkommen der reichsten zehn Prozent in den USA Mitte der 2010er-Jahre im Durchschnitt etwa zehnmal so hoch wie das der untersten 50 Prozent. Allerdings bleibt auch unter der plausibleren Verteilungsannahme der ZEW-Studie der Unterschied selbst nach Steuern und Transfers groß. Die ZEW-Wissenschaftler schätzen mit ihrer Methode, dass das Einkommen der obersten zehn Prozent etwa siebenmal so hoch wie das der unteren 50 Prozent ist. Der Unterschied der Markteinkommen war noch größer.

Publikation in renommiertem Journal

Die Datengrundlage der ZEW-Studie stammt aus dem American Community Survey (ACS) von 2017, bei dem rund 3,2 Millionen Menschen in 1,4 Millionen US-Haushalten befragt wurden. Das Paper wurde im renommierten Journal „International Tax and Public Finance“ veröffentlicht und ist frei verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/s10797-024-09832-1

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