EU-Klimapolitik: Europäische CO2-Märkte effizient und wachstumsfördernd gestalten

Europäische CO2-Märkte – Fit für die Klimaneutralität?

Wie zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, verursacht der Klimawandel wirtschaftliche Schäden, die die Kosten seiner Bekämpfung bei weitem übersteigen. Dies gilt insbesondere für eine marktbasierte Klimapolitik, die durch geeignete wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen die Marktkräfte nutzt, um Treibhausgasemissionen kostengünstig zu reduzieren und nachhaltige Lösungen zu fördern. Die CO2-Bepreisung hat sich daher zu Recht als das zentrale Instrument der deutschen und europäischen Klimapolitik etabliert und bewährt. Die Wirtschaft kann wachsen, während die Emissionen sinken: Seit Einführung des Europäischen Emissionshandels (EU ETS) im Jahr 2005 sind die Treibhausgasemissionen in Deutschland um 32 Prozent und in der EU um 31 Prozent gesunken. Gleichzeitig ist das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland um 24 Prozent und in der EU um 21 Prozent gestiegen.

Klimaneutralität in Europa im Visier

Das auf deutscher und europäischer Ebene vereinbarte Ziel der Klimaneutralität erfordert eine kontinuierliche und weitreichende Dekarbonisierung. Ab 2027 wird ein ergänzender Emissionshandel (EU-ETS2) eingeführt, der bisher national regulierte Emissionen aus Treib- und Brennstoffen umfasst. Damit werden zukünftig rund 86 Prozent aller Treibhausgasemissionen in der EU einer CO2-Bepreisung unterliegen. Umso wichtiger ist es, dieses zentrale Instrument der Klimapolitik für die bevorstehenden Herausforderungen richtig auszugestalten und weiterzuentwickeln. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, Klimaschutz noch stärker europäisch zu denken. Nationale klimapolitische Maßnahmen, die auf Treibhausgasemissionen abzielen, die bereits durch den EU ETS oder den EU ETS2 abgedeckt sind, führen unter Umständen lediglich zu einer Verlagerung der Emissionen zwischen den EU-Mitgliedstaaten mit höheren Kosten, aber ohne Effekt auf die Gesamtemissionen der EU. Eine Dekarbonisierung durch EU-weite Emissionshandelssysteme bietet dagegen die Chance, die Kräfte eines „EU-Binnenmarktes für CO2“ konsequent zur Steuerung zu nutzen und damit unnötige volkswirtschaftliche Kosten bei der Erreichung der Klimaziele zu vermeiden. Angesichts des enormen Transformationsdrucks und der Schwierigkeit staatlicher Akteure, effiziente Klimaschutzmaßnahmen am Reißbrett zu entwerfen, erscheint ein solcher marktbasierter Ansatz äußerst sinnvoll.

Fragmentierung, Doppelregulierung und fehlende Bepreisung

Die Tragfähigkeit und Effizienz eines marktbasierten Ansatzes zur Dekarbonisierung hängt wesentlich davon ab, dass möglichst viele Emissionen einbezogen werden und wirtschaftliche Transaktionen zwischen möglichst vielen Akteuren möglich sind. Auch nach der Einführung des neuen, zweiten Emissionshandels werden die europäischen CO2-Märkte stark fragmentiert sein. Erstens wird es zwei verschiedene CO2-Preise aus den beiden Handelssystemen EU ETS und EU ETS2 geben. Derzeit gibt es keine Pläne, wie und wann diese Marktteilung überwunden werden soll. Zweitens besteht eine erhebliche Fragmentierung durch die impliziten nationalen CO2-Märkte der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, die sich aus der EU-weiten Effort Sharing Regulation (ESR) ergeben. Für Emissionen, die nicht im EU ETS erfasst sind, wird das EU-weite CO2-Ziel über die ESR auf die einzelnen EU-Länder aufgeteilt. Jeder EU-Mitgliedstaat erhält somit ein nationales CO2-Budget für diese Emissionen. Gleichzeitig werden auch die Emissionen, die durch den EU ETS2 abgedeckt sind, zu 100 Prozent unter die ESR und somit in die nationalen CO2-Budgets fallen. Diese Doppelregulierung untergräbt potenziell die Effektivität des neuen EU ETS2: Nicht die Marktkräfte im EU ETS2 bestimmen, wo Emissionen vermieden werden, sondern die politisch definierte Zuteilung der nationalen CO2-Budgets. Drittens sind etwa 11 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU, nämlich die aus der Landwirtschaft, aktuell überhaupt nicht mit einem CO2-Preis versehen. Um die Klimaziele der EU zu erreichen, hatte der Europäische Rechnungshof bereits im Jahr 2021 empfohlen, das Potenzial der Anwendung des Verursacherprinzips auf landwirtschaftliche Emissionen zu prüfen und Landwirte für den langfristigen Abbau von Kohlenstoff zu belohnen.

Mehr als ein europäischer CO2-Preis

Jede Tonne CO2 zählt gleich viel für die Erreichung des EU-Klimaziels, unabhängig davon, wo sie vermieden wird. Die Kosten für die Vermeidung einer Tonne CO2 sind jedoch je nach Industrie, Sektor, EU-Land oder fossilem Brennstoffen sehr unterschiedlich. Ein konsequent umgesetzter marktbasierter Ansatz bedeutet deshalb, dass es in der EU zu einem gegebenen Zeitpunkt genau einen CO2-Preis geben sollte. Die derzeitige und zukünftige europäische Architektur zur CO2-Bepreisung sieht anders aus: Es wird einen CO2-Preis für EU ETS und einen für EU ETS2 geben, einen impliziten CO2-Preis für jeden der 27 EU-Mitgliedsstaaten aufgrund des nationalen CO2-Budgets und einen CO2-Preis von null für landwirtschaftliche Emissionen. Je größer die Unterschiede zwischen diesen expliziten und impliziten CO2-Preisen sind, desto höher werden die volkswirtschaftlichen Kosten der Dekarbonisierung in der EU sein.

Empfehlungen

Europäische CO2-Bepreisung weiterentwickeln und deutsche Klimapolitik daran ausrichten

2040-Ziel als wichtigen Zwischenschritt zur Klimaneutralität unterstützen

Deutschland sollte sich für die Stärkung und Weiterentwicklung des marktbasierten Instruments der CO2-Bepreisung auf europäischer Ebene einsetzen. Dazu gehört in den kommenden Monaten die Unterstützung des EU-Klimaziels einer Emissionsreduzierung um 90 Prozent bis 2040, welches aus klimawissenschaftlicher Sicht notwendig und möglich ist. Ein ambitioniertes Klimaziel trägt dazu dabei, verlässliche Marktsignale für die grüne Transformation zu setzen.

Übergang von nationalem Brennstoffhandel frühzeitig ausgestalten

Die neue Bundesregierung sollte die Novelle zum Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzes (TEHG) zügig verabschieden und umsetzen. Dies ist essenziell,  um den Übergang vom nationalen Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) zum EU ETS2 zu regeln. Um administrative Kosten und Unsicherheiten zu vermeiden, könnte die Festpreisphase im BEHG bis zum Start des EU ETS2 beibehalten werden.

Marktorientierung der europäischen CO2-Bepreisung durch langfristige Reformen stärken

Deutschland sollte sich dafür einsetzen, bestehende Hemmnisse in den europäischen Systemen zur CO2-Bepreisung, die die Entfaltung der Marktkräfte einschränken, zu beseitigen. Dies ist entscheidend, um die wirtschaftlichen Kosten der Dekarbonisierung möglichst gering zu halten und damit zur gesellschaftlichen Akzeptanz und politischen Durchsetzbarkeit der Klimapolitik beizutragen. So sollte die Flexibilität für den zwischenstaatlichen Handel mit Emissionszertifikaten in der ESR erhöht und die effektive Doppelregulierung von Emissionen im EU ETS2 und ESR eliminiert werden. Die derzeitige ESR ist ohnehin nur bis 2030 geregelt. Hier könnte neben der aus Effizienzgründen dringend gebotenen Beseitigung der Überschneidung zwischen EU ETS2 und ESR, die Möglichkeit ergriffen werden, eine Regelung über die zukünftige Verteilung der Lasten zwischen den EU-Mitgliedstaaten zu entwickeln, die weniger stark als bisher auf den historischen Emissionen eines EU-Landes basiert. In dem Maße wie die ESR in ihrem Geltungsbereich schrumpft, gewinnt die Rückverteilung der CO2-Einnahmen aus dem EU ETS und EU ETS2 an die Mitgliedstaaten an Bedeutung. Perspektivisch sollte sich Deutschland für eine Zusammenführung von EU ETS und EU ETS2 einsetzen. Die freie Zuteilung von Emissionszertifikaten sollte abgeschafft werden, um das Verursacherprinzip zu stärken.

Landwirtschaftliche Emissionen mit einem CO2-Preis versehen

Die Klimabestimmungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zeigen praktisch keine Wirkung, obwohl etwa ein Viertel der Ausgaben (von etwa einem Drittel des gesamten EU-Haushalts) für klimabezogene Initiativen aufgewendet werden. Für die Landwirtschaft sollte daher eine eigene Bepreisung von Emissionen in einem separaten Emissionshandel  eingerichtet werden. Zudem könnte ein Emissionshandel für die Landwirtschaft finanzielle Anreize für die Bereitstellung natürlicher CO2-Senken durch Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft schaffen.

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