EU-Migrationspolitik: Arbeitsmarktintegration beschleunigen

Hohe Hürden erschweren den Einstieg in den Arbeitsmarkt

Die aktuelle geopolitische Lage hält das Thema Migration ganz oben auf der politischen Agenda. Im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit stehen dabei häufig die Risiken, wie etwa die potenziell negativen fiskalischen Effekte der Migration auf das Sozialsystem. Dabei kann Migration ein wichtiger Baustein sein, um das Sozialsystem in Europa am Laufen zu halten. Deutschland und Europa stehen vor einem Fachkräftemangel, der die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit bedroht. Die Quote der offenen Stellen in der EU ist in den letzten Jahren zurückgegangen, lag aber im dritten Quartal 2024 mit 2,3 Prozent weiterhin fast doppelt so hoch wie noch vor zehn Jahren. In Deutschland berichten rund 68 Prozent der Unternehmen von Fachkräfteengpässen in ihren Betrieben.

Wohlfahrtsstaat und Migrationspolitik kombinieren

Häufig wird diskutiert, dass negative Anreize entstehen können, wenn Sozialtransfers zu großzügig gestaltet sind und dadurch die Arbeitsaufnahme für Migranten/-innen weniger attraktiv erscheint. In der Tat zeigt die ökonomische Forschung grundsätzlich, dass Länder mit einer stärkeren Umverteilung eher gering qualifizierte Migranten/-innen anziehen. Jüngste Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass die Effekte von Umverteilungsmaßnahmen nicht stark genug ausfallen, um allzu bedeutsame Migrationswellen auszulösen. Dies bedeutet, dass eine weniger restriktive Migrationspolitik und wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen nicht notwendigerweise im Konflikt zueinander stehen, wie man vermuten könnte. Die Mitgliedstaaten brauchen also nicht auf das eine oder das andere zu verzichten, sondern sollten sich vielmehr darauf konzentrieren, eine schnelle Arbeitsmarktintegration von Migranten/-innen zu gewährleisten.

Arbeitsmarktintegration: Barrieren abbauen, Potenziale nutzen

Um negative fiskalische Effekte zu reduzieren und das Potenzial der Migration auszuschöpfen, ist es besonders wichtig, die Barrieren zu beseitigen, die eine schnelle Arbeitsmarktintegration verhindern. Aktuelle Auswertungen zeigen, dass Migranten/-innen in Europa generell mit einer geringeren Arbeitsplatzqualität, höheren Befristungsquoten, ungünstigeren Arbeitsbedingungen und niedrigeren Löhne konfrontiert sind. Institutionelle Hürden, insbesondere im Zusammenhang mit der mangelnden Anerkennung ausländischer Qualifikationen, können dazu beitragen, dass die Beschäftigungsraten niedriger sind und Migranten/-innen häufiger in Berufen arbeiten, für die sie überqualifiziert sind. Ungefähr 20 Prozent der befragten Migranten/-innen in einer EU-weiten Arbeitskräfte-Umfrage gaben an, dass sie mit institutionellen Hindernissen unterschiedlicher Art konfrontiert waren, die sie daran hinderten, eine Arbeit aufzunehmen. Eine besondere Gruppe bilden hierbei Asylsuchende, von denen im Durchschnitt fast 50 Prozent mit Hindernissen Erfahrungen gesammelt haben (WeLaR, 2024). Die Forschung zeigt, dass zeitweilige Arbeitsverbote für Geflüchtete langfristig deren Beschäftigungswahrscheinlichkeit und Arbeitsmarktbeteiligung senken.

Empfehlungen

Koordinierte Strategie auf EU-Ebene notwendig

Eine koordinierte EU-Strategie zur Arbeitsmarktintegration voranbringen

Angesichts der Evidenz und der Bedeutung der Migration für Deutschland und die EU ist eine koordinierte Strategie auf EU-Ebene erforderlich. Der EU-Migrations- und Asylpakt stellt dazu einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar. Das Thema Arbeitsmarktintegration findet darin jedoch nicht ausreichend Berücksichtigung. Viel wichtiger ist hier der Aktionsplan der Europäischen Kommission zur Behebung des Arbeits- und Fachkräftemangels, dessen Maßnahmen die wichtigen Themen im Bereich der Arbeitsmarktintegration von Migranten/-innen deutlich umfassender ansprechen: Unterstützung der Aktivierung von unterrepräsentierten Gruppen auf dem Arbeitsmarkt; Unterstützung von Kompetenzentwicklung sowie der allgemeinen und beruflichen Bildung; Verbesserung der Arbeitsbedingungen in bestimmten Sektoren; Verbesserung der Mobilität von Arbeitskräften und Lernenden innerhalb der EU auf einer gerechten Grundlage; Anwerbung von Fachkräften aus Drittländern. Dieser Aktionsplan sollte effektiv von den Mitgliedstaaten implementiert und auf EU-Ebene weiterentwickelt werden, um den Herausforderungen gerecht zu werden.

Die Anerkennung ausländischer Qualifikationen vereinfachen

Eine EU-weite Vereinheitlichung und Vereinfachung des Prozesses zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen ist notwendig, um eine schnellere Arbeitsmarktintegration zu gewährleisten. Darüber hinaus ist es wichtig, institutionelle Barrieren insbesondere für Asylsuchende abzubauen. Die Bundesregierung sollte sich dafür einsetzen, dass Asylsuchende während der Bearbeitung ihrer Anträge arbeiten dürfen. Derzeit ist dies noch in den ersten drei Monaten nach der Ankunft verboten. Gleichzeitig sollten die Wartezeiten für langfristige Arbeitsgenehmigungen verkürzt werden. Das bisherige Arbeitsverbot für Asylsuchende wurde in der Vergangenheit damit begründet, dass Geflüchtete aufgrund der damals höheren Arbeitslosigkeit als Konkurrenz zu einheimischen Arbeitskräften wahrgenommen wurden. Angesichts des aktuellen Fachkräftemangels und der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften ist diese Begründung jedoch nicht mehr haltbar.

In Infrastruktur zur Integration und Fachkräftegewinnung EU-weit investieren

Die Gewinnung von Fachkräften und eine schnelle Arbeitsmarktintegration erfordern Investitionen in Infrastruktur und gute Rahmenbedingungen. EU-weit sollten daher infrastrukturelle Defizite mit gezielten Investitionen verbessert werden. Ein zentraler Hebel ist der Ausbau von Kinderbetreuungsangeboten, da diese für Familien entscheidend sind und die Integration erleichtern. Forschungsergebnisse für Deutschland zeigen, dass geflüchtete Familien, insbesondere Mütter, besser integriert sind, wenn ihre Kinder frühzeitig Zugang zu Kindertageseinrichtungen hatten. Dies stärkt sowohl die soziale als auch berufliche Integration und erhöht die Attraktivität von Standorten für Fachkräfte. Die Bundesregierung sollte Kinderbetreuungsangebote ausbauen.

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