25 Jahre EU-Binnenmarkt – Eine ausbaufähige Erfolgsgeschichte

Standpunkt

Der Europäische Binnenmarkt kann seit dem offiziellen Start im Januar 1993 nach 25 Jahren als Erfolgsgeschichte bezeichnet werden. Er bietet Marktzugang zu mehr als 500 Millionen Menschen und machte im vergangenen Jahr 16,5 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts aus. Damit ist der Binnenmarkt der Europäischen Union der größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt. Allerdings besteht noch Ausbaupotenzial.

Das Fundament des EU-Binnenmarktes sind die vier Grundfreiheiten: Freier Warenverkehr, Dienstleistungsfreiheit, Personenfreizügigkeit sowie freier Kapital- und Zahlungsverkehr. Mit dem Abbau von Handelsschranken konnte das Handelsvolumen in der EU über die Jahre auf nun knapp 3.000 Milliarden Euro gesteigert werden. Die vertiefte wirtschaftliche Integration hat zu Wirtschafts- und Arbeitsplatzwachstum in der EU beigetragen. Schätzungen der EU-Kommission zufolge trug der Binnenmarkt zwischen 1992 und 2006 zu einem Anstieg des BIP von 2,2 Prozent und der Schaffung von 2,75 Millionen Arbeitsplätzen bei.

Der Brexit stellt eine Zäsur für Europa dar und eine Schwächung des Binnenmarktes. Es ist aber davon auszugehen, dass die britische Wirtschaft eng mit der europäischen verbunden bleiben wird und ähnlich wie Island, Norwegen und Liechtenstein über den Europäischen Wirtschaftsraum oder die Schweiz über die Europäische Freihandelszone am EU-Binnenmarkt partizipieren wird. Neben direkten ökonomischen Gewinnen ergeben sich aus dem Binnenmarkt auch institutionelle Vorteile. Eine Folge ist die gemeinsame EU-Handelspolitik. Müssten EU-Länder einzeln mit Drittstaaten über Handelsfragen verhandeln, wären sie angesichts ihrer wirtschaftlichen Größe im Vergleich zu den großen Wirtschaftsblöcken USA und China in einer schwächeren Position. So konnte die EU etwa beim Handelsabkommen CETA mit Kanada hohen Verbraucherschutz und Umweltstandards sowie gute Marktbedingungen für Unternehmen aushandeln.

Ein Pfund, mit dem Europa in der Welt wuchern kann

Ein weiterer institutioneller Vorteil ist die gemeinsame Wettbewerbspolitik. Sie soll einheitliche Rahmenbedingungen im Binnenmarkt garantieren und Wettbewerbsverzerrungen unterbinden. In vielen Fällen ist die EU-Kommission für die Kartellverfolgung, Missbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle anstelle der nationalen Behörden zuständig. Außerdem verantwortet die EU-Kommission die staatliche Beihilfekontrolle, die ungleiche Marktbedingungen aufgrund von staatlichen Beihilfen unterbinden soll. Die gemeinsame Wettbewerbspolitik hilft auch bei der Durchsetzung von Wettbewerbsregeln bei außereuropäischen Unternehmen. Ein Paradebeispiel ist das Verfahren der EU-Kommission gegen Google, das mit einer Rekord-Kartellstrafe von 2,4 Milliarden Euro abgeschlossen wurde. Hätte jedes EU-Land einzeln gegen Google vorgehen müssen, wäre der Fall vermutlich anders ausgegangen.

Hinzu kommt die gemeinsame Währung als wesentliches Element des Binnenmarktes. Neben der Vermeidung von Wechselkursrisiken verhindert der Euro innereuropäische Währungskriege, die die Akzeptanz des Binnenmarktes gefährden würden. Aber es besteht weiterhin Handlungsbedarf, unter anderem um eine stärkere wirtschaftliche Konvergenz angesichts immer noch großer Unterschiede zwischen den EU-Staaten wie etwa beim BIP pro Kopf  zu befördern.

Die EU-Kommission schätzt, dass der Abbau von Handelsschranken mit der Vervollständigung des digitalen Binnenmarktes jährlich bis zu 415 Milliarden Euro zum BIP beitragen kann. Auch beim grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel gibt es noch Hürden und die Finanzmarktintegration ist unvollständig. Zudem ist eine stärkere Integration im EU-Energiebinnenmarkt erforderlich, um mehr Effizienz in der Energieversorgung und bei der Erreichung der Klimaziele zu erwirken. Trotz nach wie vor bestehender Herausforderungen ist der EU-Binnenmarkt eine Erfolgsgeschichte und ein Pfund, mit dem Europa in der Welt wuchern kann. Wenn es ihn nicht schon seit 25 Jahren gäbe, müsste man ihn erfinden.

Die ungekürzte Version dieses Artikels erscheint am 23.7.2018 im Magazin „Die Volkswirtschaft“.

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Achim Wambach
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Prof. Achim Wambach, PhD
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