5G - Es kann beim Ausbau zu einem erheblichen Koordinierungsproblem kommen

Nachgefragt

Prof. Dr. Vitali Gretschko, Leiter der ZEW-Forschungsgruppe „Marktdesign“, zum Beschluss über den Mobilfunkstandard 5G.

Der Mobilfunkstandard 5G soll die Basis für die digitale Wirtschaft in Deutschland werden. Der Beirat der Bundesnetzagentur hat im November den vorgeschlagenen Regeln für die Vergabe der 5G-Frequenzen zugestimmt und somit die Rahmenbedingungen für die Aktion im Frühjahr 2019 festgelegt. Marktdesignexperte Prof. Dr. Vitali Gretschko äußert sich kritisch zu den neuen Regelungen, zu denen die Frequenzen vergeben werden sollen.

Was sieht der Beschluss vor?

Der Beschluss legt die Rahmenbedingungen und die Regeln für die Auktion der Mobilfunkfrequenzen, die für 5G notwendig sind, fest. Bei den Rahmenbedingungen sind die Versorgungsauflagen hervorzuheben. Jeder aktuelle Mobilfunkbetreiber, der Frequenzen ersteigert, verpflichtet sich bis Ende des Jahres 2022 98 Prozent der Haushalte mit 100 Mbit schnellem Internet zu versorgen. Autobahnen, Bundesstraßen, Landstraßen, Bahnstrecken sowie Seehäfen und Wasserwege müssen ebenfalls versorgt werden. Des Weiteren soll eine vorher definierte Anzahl von 5G-Basis-stationen aufgebaut werden und zusätzlich weitere „Weiße Flecken“ in ländlichen Gebieten versorgt werden. Für Neueinsteiger in den Mobilfunkmarkt sind die Auflagen hingegen weniger ambitioniert: Neueinsteiger müssen bis zum Jahr 2025 je nach erworbenen Spektrum 25 bis 50 Prozent der Haushalte versorgen. Bei den Auktionsregeln gab es keine Überraschungen. Diese entsprechen im Wesentlichen den Regeln der vergangenen Auktionen.

Wie bewerten Sie den Beschluss der Bundesnetzagentur?

Die Versorgungsauflagen sind sehr strikt. Haushaltsversorgung, 5G-Basisstationen, Abdeckung der weißen Flecken sowie die Versorgung der Autobahnen müssen von jedem Bieter, der einen Zuschlag erhält, erfüllt werden. Für Bundes- und Landstraßen sowie die Schienen- und Wasserwege gibt es eine Anrechnungsklausel. Hier gilt, wenn ein Betreiber gebaut hat, wird das Gebiet für alle Betreiber als versorgt betrachtet. Insbesondere für den Ausbau in den ländlichen Gebieten und entlang der Verkehrswege sind aber die zu versteigernden Frequenzen nicht geeignet, da sie schlechtere Ausbreitungseigenschaften haben als die in den Jahren 2010 oder 2015 versteigerten Frequenzen. Die Auktionsregeln können auch verbessert werden. Zum Beispiel macht es meines Erachtens wenig Sinn auf absolut identische abstrakte Frequenzblöcke unterschiedliche Gebote zuzulassen. Dies ermöglicht den Bietern sich gegenseitig kom­plexe Signale durch die Gebote zu senden und in der Auktion zu koordinieren. Des Weiteren ist es kritisch zu sehen, dass die Öffentlichkeit andere Informationen bekommt als die Bieter. Während die Bieter alle Gebote pro Runde sehen, werden nur die höchsten Gebote öffentlich gemacht.

An welcher Stelle hätte nachjustiert werden können?

Trotz der vorgesehen Erlaubnis, Absprachen unter den Mobilfunkbetreibern zuzulassen, um die Ausbauverpflichtungen besser erfüllen zu können, kann es zu einem erheblichen Koordinierungsproblem im Ausbau kommen. Dieses Problem kann man in den Griff bekommen, indem man im Vorfeld die ländlichen Regionen und die Verkehrswege unter den Anbietern aufteilt und nur dem zuständigen Anbieter in der jeweiligen Region die Auflagen macht. Im Gegenzug muss dieser die anderen Anbieter das Netz in seinem Gebiet mitnutzen lassen. Dies wäre am effizientesten zu bewerkstelligen, indem die Ausbauverpflichtungen entweder in einer gesonderten Auktion versteigert oder in die 5G-Auktion integriert werden.

Sind ländliche Regionen im Nachteil?

Die Versorgungsauflagen haben zum Ziel, auch die ländlichen Regionen mit schnellem Internet zu erschließen. Wenn diese tatsächlich umgesetzt werden, werden die ländlichen Regionen aufholen. Allerdings macht es wenig Sinn in dünn besiedelten Regionen eine dreifache Infrastruktur aufzubauen. Deshalb wäre eine Integration der Versorgungsauflagen in die Auktion, sodass pro Region immer nur ein Teilnehmer die Auflagen erfüllen muss, wünschenswert gewesen.

Etablierte Mobilfunkanbieter sträuben sich gegen den Beschluss. Woran liegt das?

Die etablierten Mobilfunkanbieter sträuben sich hauptsächlich, weil die Versorgungsauflagen nicht mit den zu versteigernden Frequenzen zu erfüllen sind. Dafür werden Frequenzen
aus den Auktionen in den Jahren 2010 und 2015 gebraucht. Somit – argumentieren hier die Anbieter – werden diese im Nachhinein entwertet.

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