Bundeskanzleramtschef Wolfgang Schmidt zu Gast bei „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ am ZEW

Wolfgang Schmidt, Chef des Bundeskanzleramtes, war zu Gast bei „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ am ZEW und sprach über wirtschaftliche Modernisierung, erneuerbare Energien und Zukunftstechnologien.

Europas größte Volkswirtschaft befindet sich in einer schwierigen Transformation, das Wirtschaftswachstum stagniert. Die Ampel zerbrach nicht zuletzt an der Frage, wie Deutschland mit den wirtschaftlichen und finanzpolitischen Herausforderungen umgehen sollte. Über mögliche Lösungen sprach Wolfgang Schmidt, Minister für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes, am 13. März im Rahmen der vom ZEW-Förderkreis unterstützten Veranstaltungsreihe  „Wirtschaftspolitik aus erster Hand“ vor rund 180 Gästen mit ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD. Nach Auffassung Schmidts bedürfe es einer umfassenden Modernisierung des Landes. Zentrale Aufgabe sei der Ausbau der erneuerbaren Energien und das gleichzeitige Ansiedeln von Zukunftstechnologien – auch mit Subventionen.

Er freue sich über die Einladung ans ZEW, da es dort viele Ökonominnen und Ökonomen gäbe, die rechnen könnten, startete Schmidt seinen Vortrag. Bestes Beispiel sei die jüngste Studie von Holger Stichnoth, Leiter des ZEW-Forschungsbereichs „Ungleichheit und Verteilungspolitik“, in der berechnet wurde, wie sich die Umsetzung der Parteiprogramme finanziell auf Privathaushalte und das Staatsbudget auswirken würden. Diese hätte für zwei Tage zu einer sachlichen Debatte während des Bundestagswahlkampfes geführt.

Erneuerbare Energien als zentrale Aufgabe

Nach einem kurzen Abriss über die exogenen Schocks der vergangenen Jahre (etwa Pandemie, Inflation und Energieknappheit aufgrund des russischen Angriffskriegs) und deren Bewältigung kam er auf das anvisierte Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu sprechen. Dies sei eine so gigantische Aufgabe, dass es ihn wundere, warum ihr im Wahlkampf kaum Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Der Ausbau „der Erneuerbaren“ würde Deutschland nicht erspart bleiben. Dabei solle sich die Wirtschaft nicht disruptiv ändern und die Politik dafür sorgen, dass die Weltmärkte offen bleiben.

Dafür brauche es Freihandelsabkommen, aber auch staatliche Unterstützung, etwa für grünen Stahl. Subventionen seien zudem essenziell, um Zukunftstechnologien nach Deutschland zu holen. Schmidts Auffassung nach könne man solche Unternehmen sonst nicht aus Taiwan oder anderen Ländern abwerben.

Europa zur Chefsache machen

In der anschließenden Diskussion betonte Achim Wambach, dass sich der Blick stärker nach Europa richten müsse. Schließlich entstünden 80 Prozent der Regeln in der EU. Er verwies auf die kürzlich veröffentlichten ZEW-Handlungsempfehlungen für die europäische Wirtschaftspolitik zu den Koalitionsverhandlungen 2025. Dem pflichtete Schmidt bei. Für Bundeskanzler Olaf Scholz sei die EU das wichtigste nationale Anliegen. Dennoch gab es innerhalb der Ampel-Parteien teils fundamental unterschiedliche Positionen zu einzelnen Themen, die in Brüssel verhandelt wurden.

Verwaltungsdigitalisierung kaum vorangeschritten

Auch sonst lief die Ampel-Koalition nicht reibungsfrei, wobei man aber auch berücksichtigen müsse, dass es das erste Mal in der Geschichte Deutschlands sei, dass Parteien mit konträren ideologischen Ausrichtungen zusammengearbeitet hätten. Schmidt rechnete vor, dass er rund 200 Stunden mit dem ehemaligen Finanzminister Christian Lindner zusammensaß, um den Haushalt zu verhandeln. Trotz inhaltlich diametral entgegenstehender Positionen und dem Zerbrechen der Koalition verstünden sie sich aber bis heute persönlich gut.

Auf die Frage Wambachs, was Schmidt gerne noch in der Ampel umgesetzt hätte, griff der Bundeskanzleramtschef das Thema der Verwaltungsdigitalisierung auf und fragte rhetorisch, ob man einen Führerschein in Deutschland digital beantragen könne. In den Philippinen würde der gesamte Vorgang 16 Minuten und 34 Sekunden dauern, bis man die neue Fahrerlaubnis in den Händen hielt. Hierzulande dauere dies Wochen.

Mehr oder weniger Staat?

Beim Thema Rentenfinanzierung verwies Wambach darauf, dass ein höheres Renteneintrittsalter ökonomisch unabdingbar sei, zumal der demografische Wandel immer stärker zuschlage. Schmidt betonte, dass die Fachkräftezuwanderung sowie die Frauenerwerbsquote heute für höhere Beiträge sorgten. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters bringe wenig, da viele schon früher in Rente gingen. Es würde schon ausreichen, wenn Menschen erst dann in Rente gingen, wenn sie sollten. Allerdings würden viele Unternehmen 60-Jährige kaum noch einstellen.

Zum Abschluss drehte sich die Diskussion um die Staatsverschuldung sowie die Finanzierung von Staatsaufgaben. Hier lagen die Positionen Wambachs und Schmidts naturgemäß auseinander. Da der Staat günstigere Konditionen als Privatbanken bieten würden, sei es seine Aufgabe, so Schmidt, Unternehmen in Form von Darlehen zu unterstützen. So könne man etwa die Deutsche Bahn oder Autobahnen schuldenregelneutral finanzieren. Dies sah der ZEW-Präsident skeptisch, denn dies sei mit Risiken verbunden. Schließlich hafte der Staat, wenn ein Unternehmen in Konkurs ginge, und nicht die Bank.

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