Ökonomen/-innen gehen nicht von weiterer Inflation aus

Während die Prognosen für das Eurogebiet unverändert bleiben, erwartet Deutschland ein unterdurchschnittliches Wachstum. Das Konjunkturtableau zeigt diese Prognosen für das Jahr 2021 und 2022 an.

Die Expertinnen und Experten für Konjunktur bewerten die Preissteigerungen in der Eurozone als temporären Vorgang. Die Prognosen für das Wirtschaftswachstum im Eurogebiet wurden kaum geändert. Für die deutsche Wirtschaft erwarten sie im Vergleich nur ein unterdurchschnittliches Wachstum. Das zeigen die Konjunkturtableaus von ZEW und Börsenzeitung.

Bei den Prognosen für das Wirtschaftswachstum in der Eurozone ändert sich kaum etwas. Im Juni liegt die Medianprognose für das Wachstum vom realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 4,3 Prozent für das Jahr 2021, zuvor waren es 4,2 Prozent. Für 2022 bleibt der Prognosewert von 4,2 Prozent unverändert. Die BIP-Prognosen für die deutsche Wirtschaft sinken jedoch etwas. Sie liegen aktuell bei 3,3 Prozent für 2021 (Vormonat: 3,6 Prozent) und für 2022 bei 3,9 Prozent (Vormonat: 4,0 Prozent). Da die deutsche Wirtschaftsleistung im letzten Jahr weniger stark zurückgegangen ist als die des Eurogebiets, könnte im Vergleich der drei Jahre 2020 bis 2022 die deutsche Wirtschaft doch noch die Nase vorn haben. Nach den vorliegenden Prognosen dürfte das reale BIP Deutschlands Ende 2022 2,1 Prozent über dem Wert von Ende 2019 liegen, für das reale BIP des Eurogebiets wird für diesen Zeitraum nur ein Zuwachs von 1,5 Prozent vorhergesagt.

Kräftige Preisanstiege nur vorübergehend

Seit Beginn des Jahres hat sich die Preisentwicklung im Eurogebiet und in Deutschland spürbar beschleunigt. Im Mai 2021 liegt die Inflationsrate für das Eurogebiet bei 2 Prozent und somit genau auf der Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB). In den Monaten zuvor stieg sie recht deutlich an, von 0,9 Prozent im Januar auf 1,3 Prozent im März und nun auf 2 Prozent im Mai. Die Inflationsprognosen haben sich jedoch gegenüber dem Vormonat kaum verändert. Lediglich der Maximalwert stieg auf 2,0 Prozent für dieses Jahr und auf 1,7 Prozent für das Jahr 2022. Die Medianprognosen liegen unverändert bei 1,7 Prozent (2021) und 1,4 Prozent (2022).

Die Inflationsprognosen weisen darauf hin, dass die Expertinnen und Experten nicht von einem erheblichen weiteren Anstieg ausgehen. Denn schon für das nächste Jahr wird wieder ein geringerer Medianwert angenommen, selbst die Maximalprognose von 1,7 Prozent für 2022 legt eine nachlassende Inflationsdynamik nahe. Für das laufende Jahr ist die Medianprognose von 1,7 Prozent jedoch durchaus vereinbar mit Inflationsraten von bis zu 3 Prozent im Laufe des Jahres.

Geldpolitik-Anpassung empfehlenswert

Sollte sich dieser prognostizierte Verlauf der Inflationsraten im Eurogebiet bewahrheiten, dann hätte die EZB keinen triftigen Grund, die geldpolitischen Zügel stark anzuziehen. Ein Übergang zu einer weniger extrem lockeren Geldpolitik wäre allerdings ratsam, um ein Überschießen der Inflation zu vermeiden. Eine allmähliche Rückführung der Anleihekaufprogramme wäre auch sinnvoll, um die Signalwirkung der Anleihekurse und -renditen wieder herzustellen. Denn derzeit spiegeln die Renditen von Staatsanleihen nur noch sehr eingeschränkt die Wachstums- und Inflationserwartungen der Kapitalmarktakteure.

Konjunkturtableaus von ZEW und Börsen-Zeitung

In Kooperation mit der Börsen-Zeitung veröffentlicht das ZEW seit dem Jahr 2013 monatlich Konjunkturtableaus für Deutschland und die Eurozone mit volkswirtschaftlichen Kennzahlen und Prognosen. Zahlreiche Banken und Institute veröffentlichen in unterschiedlichen Abständen Berichte über die aktuelle und voraussichtliche wirtschaftliche Lage. Aus diesen Publikationen werden die für das Tableau relevanten Informationen herausgefiltert und der Median, das Minimum und das Maximum aus den Prognosen für das jeweils laufende und dessen Folgejahr berechnet.

Die monatlich veröffentlichten Konjunkturtableaus zeigen die aktuellen Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt (BIP), die Verwendungskomponenten des BIP, Verbraucherpreise, Industrieproduktion, Arbeitslosenquote und lang- und kurzfristige Zinsen sowie Zinsdifferenzen. Der Fokus liegt auf nationalen Informationsquellen, allerdings ergänzen die Prognosen einiger internationaler Banken und Institute die Datenbasis des Tableaus. Das Tableau für den Euroraum wird zudem noch mit Daten von europäischen Banken und Instituten erweitert.

Kontakt

Wissenschaftlicher Kontakt
Dr. Michael Schröder
Zum Profil