Mittel auf bedürftige Regionen konzentrieren
VeranstaltungenÜbergabe Studie zur EU-Kohäsionspolitik bei gemeinsamer Veranstaltung des ZEW Mannheim und des Bundesfinanzministeriums in Brüssel
Die EU-Kohäsionspolitik ist ein wichtiges Element der europäischen Solidarität. Sie soll wirtschaftliche und soziale Unterschiede in den europäischen Regionen durch gezielte Investitionen ausgleichen. Gleichzeitig ist die Strukturpolitik milliardenschwer und beansprucht einen beträchtlichen Teil des EU-Haushalts – dies wird gerade in Zeiten klammer Kassen, auch in Brüssel, hinterfragt. Was sind aktuelle Herausforderungen der EU-Kohäsionspolitik und welche Reformansätze gibt es für den kommenden Finanzrahmen? Dazu stellte ZEW-Ökonom Prof. Dr. Friedrich Heinemann am 15. Juli 2024 in der von Bodo Lehmann geleiteten Vertretung des Landes Baden-Württemberg bei der Europäischen Union in Brüssel den Abschlussbericht eines vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) geförderten Projekts vor. Vor rund 300 Gästen, darunter sieben EU-Finanzminister/innen, zahlreiche Staatssekretäre/-innen und Botschafter/innen übergab er die Studie an die zuständige Kommissarin für Kohäsion und Reformen, Elisa Ferreira. Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen, betonte die hohen Kosten der Strukturpolitik und forderte, dass die bestehenden Ausgabenprogramme auf ihre Wirksamkeit systematisch überprüft werden müssen.
„Angesichts der zahlreichen Belege für die nur bedingte Wirksamkeit der Kohäsionspolitik ist es wünschenswert, die Mittel auf bedürftige Regionen zu konzentrieren, in denen eine signifikante Wirkung zu erwarten ist. Dies gilt insbesondere für Regionen in weniger entwickelten EU-Mitgliedstaaten, die über effiziente und korruptionsfreie Verwaltungen verfügen“, erklärte Friedrich Heinemann bei der Übergabe des Abschlussberichts. „Tatsächlich haben sich die regionalen Disparitäten in der EU trotz 30 Jahren Kohäsionspolitik in Südeuropa kaum verringert. Natürlich könnten die Unterschiede in einem Szenario ohne Kohäsionspolitik noch größer sein, aber das Ergebnis der jahrzehntelangen Bemühungen bleibt ernüchternd.“
Lindner betont Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten
Christian Lindner erinnerte daran, dass es Forderungen nach neuen, vielleicht schuldenfinanzierten EU-Instrumenten oder Instrumenten mit kollektiver Verantwortung gäbe. Er sei überzeugt, dass dieser Ansatz in eine falsche Richtung führe. Stattdessen müsse man die Marktkräfte und die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die Wettbewerbsfähigkeit stärken sowie die Potenziale des Binnenmarktes nutzen. Damit würde die wirtschaftliche Widerstandskraft in den Mitgliedsstaaten und in Europa verbessert. Zudem schätze er sich glücklich, die Expertise des ZEW mit einem breiten Netzwerk international renommierter Wissenschaftler/innen gewonnen zu haben.
EU-Kommissarin warnt vor Einschnitten in Kohäsionspolitik
Die EU-Kommissarin Elisa Ferreira betonte die Bedeutung der Regionalpolitik gerade in Krisenzeiten und erinnerte daran, dass die Transformation der Autoindustrie in Baden-Württemberg oder das „Silicon Saxony“ auch durch die Kohäsionspolitik ermöglicht wurde. Zudem sei sie wichtig, um sich im globalen Wettbewerb in einer multipolaren Welt zu behaupten.
Claudia von Schuttenbach, kaufmännische Geschäftsführerin des ZEW, bedankte sich zum Abschluss bei dem internationalen Team von vier Fachleuten, die die Studie erarbeitet hatten, und betonte: „Wir freuen uns ganz besonders, dass EU-Kommissarin Elisa Ferreira die Studie persönlich entgegengenommen hat. Dies verdeutlicht die Relevanz des Themas und zeigt die Wichtigkeit politikrelevanter Wirtschaftsforschung sowie evidenzbasierter Politikberatung, für die das ZEW steht.“
Abschlussbericht zeigt mögliche Verbesserungen auf
Der Abschlussbericht wurde von Forschenden des ZEW Mannheim und einem internationalen Team von Experten/-innen aus den Feldern Regionalökonomie, Finanzwissenschaften und Recht erarbeitet. Der Bericht enthält 14 Kapitel mit Analysen und konkreten Vorschlägen zur Verbesserung der Wirksamkeit der Kohäsionspolitik. In ihrer Studie kommen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass die Regionalpolitik positive Effekte auf Wachstum und Beschäftigung hat, diese aber meist kurzfristiger Natur sind. Außerdem zeigt sich, dass die Politik vor allem dort wirksam ist, wo die öffentliche Verwaltung funktioniert und das institutionelle Umfeld gut ist. Eine zentrale Empfehlung lautet daher, die Finanzmittel insbesondere auf die weniger entwickelten EU-Mitgliedstaaten zu konzentrieren, die über effiziente und korruptionsfreie Verwaltungen verfügen.