Umstrittenes Pflichtfach: Brauchen wir mehr Wirtschaft in der Schule?

Standpunkt

Standpunkt von ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach

ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, Ph.D., zu Notwendigkeit und Umsetzung des Pflichtfaches Wirtschaft in deutschen Schulen.

Nun also auch Nordrhein-Westfalen. Mit dem Schuljahr 2020/21 ist Wirtschaft zum Pflichtfach an allen weiterführenden allgemeinbildenden Schulen in NRW geworden. Damit folgt Nordrhein-Westfalen dem Land Baden-Württemberg, das diesen Schritt schon vor vier Jahren gegangen ist.

Ein gutes Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge ist eine wesentliche Voraussetzung für eine aktive Teilhabe in der modernen Gesellschaft. Für „das Leben“ gewappnet zu sein bedeutet auch, in der Lage zu sein, langfristige finanzielle Entscheidungen zum Beispiel für die Altersvorsorge zu treffen, sich auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten, im späteren Beruf betriebswirtschaftliche Entscheidungen zu treffen und als mündiger Bürger die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Regierung zu verstehen sowie diese als Wähler zu beeinflussen. Wirtschaftliche Zusammenhänge haben es in sich, etwa wenn es um die komplexen Gleichgewichtsphänomene geht. Ein gewisses Verständnis von Makro- und Mikroökonomie ist notwendig, um zu verstehen, dass in einer Krise wie der jetzigen eine stärkere Verschuldung des Staates sinnvoll, für private Haushalte aber problematisch sein kann.

Methoden und Theorien der Ökonomik lehren

Wäre es aber im digitalen Zeitalter nicht besser, Informatik oder Technikwissenschaften auszubauen? Oder mehr Zeit für die Basisfächer Mathematik, Naturwissenschaften oder Sprachen zu verwenden? Um Antworten auf solche Fragen zu finden, bedarf es aussagekräftiger Daten über die Erfolge der Schulausbildung. Daran hapert es nach wie vor. Der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums hatte die Bundesländer schon vor einigen Jahren angemahnt, „sich einer regelmäßigen Überprüfung der Leistungsfähigkeit ihres Schulwesens zu öffnen“. Deutschland beteiligt sich beispielsweise nicht am Pisa-Test zur Finanzbildung. Dabei böte doch gerade die föderale Vielfalt die Möglichkeit, voneinander zu lernen.

Ein markanter Unterschied zwischen der Schullehre in den Naturwissenschaften und der im Fach Wirtschaft zeigt sich bei der Analyse geläufiger Unterrichtsmaterialien: Die Fokussierung auf den politischen Diskurs – zum Beispiel beim Thema Globalisierung. Eine knappe Einführung in die Thematik, und schon wird kritisch diskutiert, wer möglicherweise unter der Globalisierung leidet, inwiefern diese zu mehr Kinderarbeit führt oder die Umwelt Schaden nimmt. Zwar sind diese Probleme wichtig. Doch ist die Prioritätensetzung zu hinterfragen. Die Ökonomik besitzt einen Kanon an Methoden und Theorien. Erst wer diese kennt, kann eine wohlinformierte kritische Reflexion beginnen. Ansonsten entsteht das Phänomen, das nicht nur im Internet zu beobachten ist: Diskursfreudigkeit gepaart mit Wissensarmut.

Die Qualität eines Schulfachs Wirtschaft steht und fällt mit den Kompetenzen und pädagogischen Fähigkeiten der Lehrkräfte. Die jeweiligen Bundesländer haben ihre Studienpläne angepasst, um Lehrkräfte dafür auszubilden. Hierbei hilft es, den Fakultäten der BWL und VWL in Erinnerung zu rufen, dass sie für die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte mitverantwortlich sind. Es gilt, die Begeisterung, die die Kolleginnen und Kollegen für ihre Fächer empfinden, auch den Lehramtskandidaten und Lehrkräften zu vermitteln. Nur so kann Wirtschaft als Schulfach zum Erfolg werden – für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die gesamte Volkswirtschaft.

Dieser Beitrag ist in längerer Version am 17.08. in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erschienen.

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