Wie gut arbeiten Ratingagenturen? "Private Ratingagenturen sollten baldmöglichst öffentliche Konkurrenz bekommen"

Nachgefragt

Ratingagenturen sind mächtig. Ihr Urteil entscheidet, zu welchen Konditionen sich ein Land an den internationalen Kapitalmärkten Geld leihen kann. Prof. Dr. Michael Schröder, Leiter des Forschungsbereichs Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement am ZEW, erläutert, wie Ratingagenturen arbeiten und wie sie besser kontrolliert werden könnten.

Prof. Dr. Michael Schröder leitet am ZEW den Forschungsbereich Internationale Finanzmärkte und Finanzmanagement. Seine Forschungsschwerpunke sind insbesondere empirische Kapitalmarktanalyse, Erwartungsbildung auf Finanzmärkten, nachhaltige Kapitalanlagen sowie das Vermögensmanagement von Stiftungen. Im Jahr 2009 wurde er an der Universität Stuttgart habilitiert und erhielt die Lehrbefugnis für Betriebswirtschaftslehre. Schröder lehrt an der Frankfurt School of Finance & Management im Bereich Asset Management.

Wird seine Kreditwürdigkeit herabgestuft, muss sich ein Land oder ein Unternehmen zu deutlich höheren Preisen am Kapitalmarkt refinanzieren. Lenkt das Bonitätsurteil somit nicht zum Teil durch ein schlechteres Rating das Schicksal eines Landes oder Unternehmens in genau die negative Richtung, vor der es eigentlich warnen soll?

Dieses Problem besteht zweifellos. Ratingagenturen stecken hier wirklich in einem Dilemma zwischen zu früher und zu später Bekanntgabe von neuen Informationen zum Ausfallrisiko von Ländern oder Unternehmen. Ratingagenturen sollen einerseits rechtzeitig über Veränderungen beim Ausfallrisiko informieren. Andererseits führt die Herabstufung eines Ratings zu höheren Risikoprämien, die von den Investoren am Kapitalmarkt gefordert werden. Als Folge erhöhen sich die Finanzierungskosten und die Verschuldungssituation eines Landes kann dadurch an den Rand der Tragfähigkeit gelangen, was wiederum weitere Ratingabstufungen und höhere Risikoprämien nach sich ziehen kann. Im schlimmsten Fall löst die Herabstufung eines Ratings eine nach unten gerichtete Spirale aus, die mit der Insolvenz des Landes oder des Unternehmens endet.

Auf welche Informationen stützen Ratingagenturen ihr Urteil?

Ratingagenturen führen in ihren Risikoeinschätzungen Analysen durch, die auf öffentlich bekannten aber auch auf speziell zu diesem Zwecke recherchierten Informationen basieren. Diese Informationen werden mit unterschiedlichen Methoden verarbeitet und zu einem Rating verdichtet. Durch die Aktivität von Ratingagenturen sollen die Transaktionskosten der Informationsverarbeitung gesenkt werden, was zu einer Verbesserung der Funktionsfähigkeit von Kapitalmärkten führen kann. Die Investoren sparen sich durch die Ratings umfassende eigene Analysen, müssen sich dann allerdings auf die Zuverlässlichkeit der Aussagen von Ratingagenturen verlassen.

Wie kann man die Güte eines Ratings objektiv messen?

Auf den ersten Blick sieht die Messung der Prognosegüte von Ratings einfach aus: Man vergleicht das Rating mit dem Ergebnis. Aber was ist das Ergebnis? Und was sagt das Rating konkret aus? Ratings geben eine implizite Wahrscheinlichkeitsaussage ab, beispielsweise über die Möglichkeit, dass fällige Zinszahlungen einer Anleihe nicht mehr geleistet werden. Ratings sagen aber nicht konkret aus, wann ein Zahlungsausfall eintreten könnte. Im Nachhinein lässt sich für die verschiedenen Ratings berechnen, wie häufig ein Zahlungsausfall eintrat. Genaue Angaben über richtige oder falsche Prognosen lassen sich leider damit nicht erstellen, sondern nur eine Art Plausibilitätsüberprüfung: Höhere Ratings sollten deutlich weniger Ausfälle zu verzeichnen haben als niedrige. Hinzu kommt der oben schon angesprochene Zusammenhang, dass Ratings im Extremfall das prognostizierte Ergebnis herbeiführen können. In solchen Fällen sind Prognosen und Realisation nicht mehr unabhängig voneinander und eine Messung der Prognosegüte ist dann grundsätzlich nicht möglich.

Wer kontrolliert, dass die Ratingagenturen seriös und fehlerfrei arbeiten?

Seit Ende 2009 ist die EU-Verordnung 1060/2009 in Kraft, die sich mit der Regulierung von Ratingagenturen in der EU befasst. In Deutschland ist die Bafin für die Aufsicht zuständig. Diese Verordnung soll vor allem dafür sorgen, dass in der EU tätige Ratingagenturen nicht von den Auftraggebern abhängig sind und keine Anreize haben, im Interesse der Auftraggeber die Ratings zu verfälschen. Um dies zu erreichen sollen Ratingagenturen unter anderem ihre Methoden, Modelle und Annahmen veröffentlichen. Dadurch ist es Konkurrenten und unabhängigen Experten möglich, die Vorgehensweise kritisch unter die Lupe zu nehmen, und Investoren können sich ein besseres Bild von der Zuverlässigkeit der Ratingaussagen machen.

Reicht diese Kontrolle aus?

Das sind erste nützliche Schritte. Ratingagenturen haben aber über ihre rein Kreditökonomische Funktion hinaus quasi-öffentliche Aufgaben. Ratings sind beispielsweise bei den Mindesteigenkapitalvorschriften für Banken die Grundlage für die Eigenkapitalunterlegung von Kreditrisiken. Lebensversicherungen dürfen nur in Anleihen investieren, die mindestens im so genannten Investment-Grade-Bereich liegen. Darüber hinaus sind zahlreiche privatrechtliche Vereinbarungen, etwa Kreditausfallversicherungen, an Ratings gekoppelt. Eine Kontrolle darüber, dass Ratingagenturen für diese Aufgaben hinreichend gut fundierte Beurteilungen abgeben, findet jedoch kaum statt.

Was sollte getan werden, um Ratings transparenter zu machen?

Eine wirksame ökonomische Kontrolle könnte von einer unabhängigen öffentlichen Ratingagentur ausgehen, die etwa von der EU finanziert wird. Eine solche staatlich finanzierte Ratingagentur hätte andere Anreize für die Erstellung der Ratings als private Agenturen. Damit würde das Spektrum der Ratings um eine neue Variante erweitert werden. Darüber hinaus könnte einer solchen staatlichen Ratingagentur mit der Zeit eine Benchmark-Funktion für den Vergleich der Ratings und der Ratingmethoden der privaten Agenturen zukommen.

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