ZEW-Präsident Franz zum Kündigungsschutz
StandpunktDer Beitrag findet sich in der April-Ausgabe der ZEWnews.
Der Kündigungsschutz befindet sich hierzulande nach wie vor in der wirtschaftspolitischen Diskussion, und das ist auch notwendig. Zwar hat die Bundesregierung anerkennenswerterweise einen zaghaften Anlauf zur Flexibilisierung unternommen, aber von dem erforderlichen großen Wurf kann dabei nun wirklich nicht die Rede sein. Ähnliches gilt für die jüngsten Vorschläge der CDU/CSU, denen prinzipiell richtige Erkenntnisse zugrunde liegen, die aber auf Grund des erbitterten Widerstands - wohlgemerkt: aus den eigenen Reihen, nicht nur von den üblichen Verdächtigen - allzu harmlos daher kommen, als dass sie eine durchgreifende Reform genannt werden könnten. Was die parteiinterne Auseinandersetzung über konkrete Reformschritte anbelangt, so ähneln sich die beiden großen Volksparteien doch mehr als oftmals vermutet.
Die Problematik des geltenden Kündigungsrechts dürfte hinlänglich bekannt sein, sodass Stichworte genügen. Sie besteht nicht in erster Linie darin, dass in Deutschland niemand entlassen werden könnte. Woher kämen denn sonst die jährlichen rund 3,5 Millionen Zugänge in die Arbeitslosigkeit aus einem Beschäftigungsverhältnis? Das wirkliche Problem liegt vielmehr in den hohen Kosten von Entlassungen in Form von Abfindungszahlungen. Der Kündigungsschutz nimmt hierzulande die Züge eines Abfindungsschachers an, weil Unternehmen sich angesichts skurriler Arbeitsgerichtsurteile und der weit über die Normzwecke des Gesetzgebers hinausgehenden Fortentwicklung des Kündigungsschutzrechts durch die Arbeitsgerichtsbarkeit von gerichtlichen Auseinandersetzungen lieber freikaufen und Abfindungen selbst an Arbeitnehmer zahlen, die darauf keinen Anspruch besitzen.
Mit anderen Worten: Der Kündigungsschutz hierzulande erhöht die Arbeitskosten ähnlich wie andere Personalzusatzkosten. Es ist eine Illusion anzunehmen, ein Kündigungsschutz sei für die Arbeitnehmer zum Nulltarif zu erhalten. Sie bezahlen dafür - entweder in Form von entgangenem Einkommen (die im Vergleich zur privaten Wirtschaft niedrigeren Entgelterhöhungen für Beamte werden regelmäßig mit der Sicherheit ihrer Arbeitsplätze gerechtfertigt) oder in Form von Arbeitsplatzverlusten. So gesehen stellt der herrschende Kündigungsschutz eine Bevormundung der Arbeitnehmer und Unternehmen dar, derer es genau genommen nicht bedarf, von Ausnahmen wie Willkürverboten bei Kündigungen abgesehen. Auf jeden Fall stehen in einer freiheitlichen Gesellschaft die Gegner einer Reform unter Begründungszwang, nicht etwa deren Befürworter, die auf mehr freiwillige Lösungen setzen.
Reformvorschläge zum Kündigungsrecht liegen auf dem Tisch, das Rad braucht nicht neu erfunden zu werden. So haben unlängst der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung sowie in diesen Tagen der Kronberger Kreis der Stiftung Marktwirtschaft ausgearbeitete Alternativen zum derzeitigen Recht vorgelegt, die in wichtigen Aspekten übereinstimmen. Der Grundgedanke lautet, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber im gegenseitigen Einvernehmen einen - allerdings reformierten - gesetzlichen Kündigungsschutz abbedingen und sich stattdessen über Abfindungszahlungen oder eine Erhöhung der laufend gezahlten Arbeitsentgelte verständigen können. Damit wird erstens den Präferenzen der Arbeitnehmer Rechnung getragen: Wer ihn möchte, erhält den gesetzlichen Kündigungsschutz; wer stattdessen lieber eine höhere Entlohnung wünscht, bekommt diese, sofern der Arbeitgeber zustimmt. Zweitens können Arbeitgeber, wenn sie wollen, mit arbeitnehmerfreundlichen Kündigungsregeln werbewirksam auf sich aufmerksam machen und qualifizierte Arbeitskräfte attrahieren. Nicht zuletzt wegen des fehlenden Arbeitsplatzrisikos erscheint vielen Arbeitnehmern der öffentliche Dienst so anziehend.
Eine durchgreifende Reform des Kündigungsrechts gehört immer noch zu den unerledigten Aufgaben.