Mannheim Tax Index

Steuerliche Standortattraktivität in Europa

Der Mannheim Tax Index ist ein Indikator für das effektive Steuerniveau von Unternehmen, da die Besteuerung als ein wichtiger Standortfaktor gilt. Hierbei vergleicht er Länder und Regionen aus steuerlicher Sicht und berücksichtigt dabei alle Steuern auf Gewinne und investiertes Kapital sowie die wichtigsten Regelungen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage. Somit wird ein umfassendes Bild der Besteuerung gezeichnet, indem zwei generelle Stränge verfolgt werden: die Besteuerung inländischer Unternehmen mitsamt ihren Anteilseignern und grenzüberschreitende Unternehmensinvestitionen. Die Analyse der Besteuerung von Unternehmen ist eine traditionelle Methode, um die steuerliche Attraktivität von Regionen im internationalen Wettbewerb zu vergleichen. Sie konzentriert sich auf die Steuersätze, die von mobilem Kapital und mobilen Unternehmen getragen werden.

Dr. Daniela Steinbrenner

ZEW-Expertin

Unser Index basiert aus zwei Gründen auf den effektiven Steuerbelastungen: Sie sind für die Investitionsentscheidung relevanter als nominale Steuersätze, und sie sind aufgrund ihres aggregierten Niveaus in Bezug auf verschiedene Standorte direkt vergleichbar. Die Betrachtung dieser effektiven Steuersätze im Zeitverlauf liefert eine Intuition über gemeinsame Trends im Steuerwettbewerb und mögliche Interdependenzen zwischen Standorten.

Effektivsteuerbelastungen im Ländervergleich

Der Mannheim Tax Index des ZEW Mannheim zeigt, dass die Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland im direkten Vergleich mit wichtigen Wettbewerbern am höchsten ist.

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist derzeit von einer Rezession und einem prognostizierten geringen Potenzialwachstum für die kommenden Jahre gekennzeichnet. Die anhaltend hohe Inflation, bedingt durch die Energiekrise, belastet Unternehmen durch den Rückgang der Kaufkraft. Diese wirtschaftlichen Herausforderungen werden durch eine bereits seit zehn Jahren anhaltende negative Entwicklung der Standortbedingungen Deutschlands verschärft, die sich durch zunehmende Regulierung, Bürokratisierung, mangelnde Digitalisierung und den Fachkräftemangel auszeichnet. Die im internationalen Vergleich hohe Unternehmenssteuerbelastung Deutschlands stellt dabei eine zunehmende Herausforderung dar. Um dem geringen Potenzialwachstum zu begegnen und eine wirtschaftliche Transformation in Richtung Klimaneutralität, Mobilitätswende und Digitalisierung voranzutreiben, ist es entscheidend, die Standortattraktivität Deutschlands zu erhöhen und Investitionen zu fördern, insbesondere auch im steuerlichen Bereich.

In den letzten fünfzehn Jahren hat Deutschland trotz seiner Bedeutung als eines der führenden europäischen Länder für ausländische Direktinvestitionen an steuerlicher Attraktivität im Vergleich zu seinen Schlüsselpartnern eingebüßt. Im Jahr 2023 wies Deutschland im Verhältnis zu Frankreich, Italien, dem Vereinigten Königreich und dem EU-Durchschnitt die höchste Steuerbelastung für traditionelle Geschäftsmodelle auf. Besonders deutlich wird der Hochsteuerlandcharakter Deutschlands durch die Senkung des französischen Körperschaftsteuersatzes in den letzten Jahren. Auch die Anhebung des Körperschaftsteuersatzes im Vereinigten Königreich auf 25 Prozent hat Deutschlands führende Position nicht verändert. Trotz einer möglichen Stabilisierung des Abwärtstrends bei der effektiven Steuerbelastung, vor dem Hintergrund der neu eingeführten globalen Mindeststeuer, bleibt Deutschland für Unternehmen mit internationalen Investitionsalternativen vergleichsweise unattraktiv.

Deutschlands effektive Steuerbelastung liegt 10 Prozentpunkte über dem europäischen Durchschnitt

Die effektive Durchschnittsteuerbelastung in Deutschland liegt fast 10 Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt. Nur zwei der betrachteten Länder haben im Vergleich einen noch höheren Prozentsatz.

Die effektive Durchschnittsteuerbelastung eines profitablen Investitionsprojekts in Deutschland liegt im Jahr 2023 bei 28,5 Prozent und übersteigt damit den EU-Durchschnitt um fast 10 Prozentpunkte. Im internationalen Vergleich haben nur zwei der betrachteten Länder (Spanien und Japan) eine höhere Abgabenlast. Aus diesem Anlass werden in Deutschland momentan verschiedene Ansätze zur Verbesserung der steuerlichen Standortattraktivität diskutiert. Im Entwurf für das Wachstumschancengesetz wird unter anderem die Fortführung der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter vorgeschlagen, während der Koalitionsvertrag sogar eine sogenannte „Superabschreibung“ vorsieht. Darüber hinaus wird die Abschaffung des Solidaritätszuschlags sowie eine Absenkung der Gewinnsteuern für Unternehmen auf 25 Prozent diskutiert.

Großbritannien könnte Vorbild für die steuerliche Standortattraktivität Deutschlands sein.

Die Modellierung der einzelnen Vorschläge zeigt, dass weder die Einführung einer degressiven Abschreibung noch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags signifikante Auswirkungen auf Deutschlands Standortattraktivität haben. Eine Umsetzung dieser Maßnahmen würde die effektive Steuerlast für Unternehmen nur geringfügig senken: von derzeit 28,5 Prozent auf 28,3 Prozent bei degressiver Abschreibung und auf 27,8 Prozent bei Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Durch eine Superabschreibung nach dem Vorbild Großbritanniens, ausgestaltet als Sofortabschreibung auf bewegliche Wirtschaftsgüter, würde Deutschland mit einer effektiven Steuerbelastung von 27,4 Prozent im internationalen Ranking des Mannheim Tax Index mit den USA gleichziehen. Hervorzuheben ist hierbei, dass eine Sofortabschreibung an Direktinvestitionen ansetzt und damit unmittelbar investitionsfördernd wirkt. Eine Absenkung der deutschen Gewinnsteuern auf 25 Prozent hat im internationalen Vergleich des Mannheim Tax Index eine deutliche stärkere Signalwirkung, da sich Deutschland mit einer Effektivsteuerbelastung von 23,5 Prozent im Mittelfeld westeuropäischer Investitionsstandorte positionieren würde. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass eine deutliche Verbesserung Deutschlands im internationalen Ranking des Mannheim Tax Index ohne kurzfristige Steuermindereinnahmen nicht realisierbar ist.

Forschung // 23.02.2024

Steuerreform würde Standortattraktivität Deutschlands erhöhen

Devereux-Griffith-Modell

Die Berechnung des Mannheim Tax Index basiert auf dem etablierten investitionstheoretischen Ansatz der britischen Ökonomen Devereux und Griffith (1999, 2003). Hierbei wird unter Berücksichtigung einer Vielzahl steuerlicher Parameter und deren Auswirkungen auf eine hypothetische, zukünftige Investition die effektive Steuerbelastung eines Landes berechnet und steuerlich bedingte Verzerrungen in der Standortwahl aufgezeigt. Hierfür können sowohl die Kapitalkosten und die effektive Grenzsteuerbelastung einer marginalen Investition, die den Umfang einer Investition an einem Standort beeinflusst, als auch die effektive Durchschnittsteuerbelastung einer rentablen Investition berechnet werden.

Die Grafik „Modellstruktur“ zeigt die Struktur der Investition und deren Finanzierung. Für die Berechnung des Mannheim Tax Index wird eine Kapitalgesellschaft des Verarbeitenden Gewerbes unterstellt, die selbst oder durch eine ausländische Tochtergesellschaft eine Investition in eine vorgegebene Kombination diverser Wirtschaftsgütern tätigt. Das hypothetische Investitionsvorhaben besteht zu gleichen Teilen aus immateriellen Wirtschaftsgütern, Industriegebäuden, Maschinen, Finanzanlagen und Vorratsvermögen. Dabei werden auch unterschiedliche Wege der Finanzierung berücksichtigt. Die Finanzierungsquellen sind, in der Reihenfolge ihrer Gewichtung, einbehaltene Gewinne, Fremdkapital und neues Beteiligungskapital.

Daten

Bitte nachfolgende Zitierung nutzen:

Spengel, C., Heckemeyer, J., Nicolay, K., Gaul, J., Gundert, H., Spix, J., Steinbrenner, D., Weck, S., Wickel, S. (2024), Mannheim Tax Index Update 2023 - Effective Tax Levels using the Devereux/Griffith Methodology, MannheimTaxation Project, Mannheim.

Zugang zu den Daten:

Der Mannheim Tax Index ermittelt effektive Steuersätze für 27 EU-Staaten sowie das Vereinigte Königreich, Schweiz, Norwegen, Nord-Mazedonien, Türkei, USA, Kanada und Japan für den Zeitraum von 1998 bis 2023. Neben der Unternehmensebene werden auch die Ebene der Anteilseigner sowie grenzüberschreitende bilaterale Investitionen erfasst. Weitere Informationen liegen zum Download vor:

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