Bilanz-Skandale und Aktienanalyse: Harte Fakten verdrängen Visionen

Forschung

Die Bilanz-Skandale der US-Unternehmen Worldcom, Enron und Xerox haben an den Weltbörsen zu nachhaltiger Verunsicherung geführt. Auf der Suche nach Wegmarken im unsicher gewordenen Gelände gewinnt für Finanzexperten in Deutschland die kritische Durchleuchtung der Bilanzdaten der Unternehmen erheblich an Bedeutung.

Bei der Aktienanalyse stehen nun wieder die harten Fakten an erster Stelle, während hoch gehandelte Potenziale und Visionen weniger wichtig erscheinen. Dies ist ein Ergebnis einer Umfrage des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, unter 269 Finanzexperten aus Banken, Versicherungen und großen Industrieunternehmen im Rahmen des ZEW-Finanzmarkttests im Juli diesen Jahres.

Eine deutliche Mehrheit der befragten Finanzmarktexperten ist sich darin einig, dass die Relevanz von Bilanzdaten für die Analyse deutscher Aktien in den vergangenen Monaten stark zugenommen hat. Dies gilt sowohl für die Unternehmen des Dax als auch für die des Neuen Markts. Lediglich etwa ein Fünftel der Experten glaubt dagegen, dass die Bilanzdaten an Bedeutung verloren haben. Somit scheinen die jüngsten Meldungen über Bilanzierungstricks in den USA auch hierzulande dazu zu führen, dass Bilanzen kritischer unter die Lupe genommen werden. Jüngstes Beispiel ist die Diskussion um den Finanzdienstleister MLP. Des Weiteren scheint es insbesondere bei der Analyse von Technologieunternehmen inzwischen wieder mehr auf eine solide finanzielle Situation der Unternehmen anstatt auf etwaige Zukunftspotenziale anzukommen.

Neben dem kritischen Blick auf die Bilanzdaten kommt es für gut die Hälfte der Befragten bei der Bewertung eines Unternehmens inzwischen auch darauf an, welche Wirtschaftsprüfungsgesellschaft den Jahresabschluss testiert hat. Das zeigt, dass es in den Augen der vom ZEW befragten Finanzmarktexperten offensichtlich deutliche Unterschiede in der Qualität der Arbeit der Prüfer gibt. Dies mag in der Zukunft dazu führen, dass im Wettbewerb der Wirtschaftsprüfer noch stärker als bisher die Qualität der Prüfung den Ausschlag geben wird.

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Skepsis gegenüber Bilanzierungspraktiken kommt der Kapitalmarktkommunikation der Unternehmen im Rahmen der Investor Relations eine wichtige Rolle zu, um einem Vertrauensverlust bei den Investoren vorzubeugen beziehungsweise den Vertrauensverlust zu begrenzen. Hier kommt die ZEW-Befragung zu einem für deutsche börsennotierte Unternehmen durchaus erfreulichen Ergebnis: Mit wichtigen, kursrelevanten Informationen fühlen sich die Analysten in Deutschland beinahe ebenso gut versorgt wie in den USA oder Großbritannien.

Ansprechpartner

Dr. Matthias Meitner, E-Mail: meitner@zew.de

Dr. Felix Hüfner, E-Mail: huefner@zew.de

Volker Kleff, E-Mail: kleff@zew.de

Erik Lüders, E-Mail: lueders@zew.de