Digital versus analog – Neue Geschäftsmodelle mischen alte Märkte auf
Termine und NachrichtenTeilen statt besitzen ist ein zentrales Prinzip der digitalen Marktwirtschaft. Für vieles gibt es heute sogenannte Sharing-Modelle: für Fahrräder, Autos, Babybekleidung oder Wohnungen. Das Potenzial der Sharing-Ökonomie ist groß, die Nutzerzahlen steigen – ein Beispiel dafür, wie neue, digitale Geschäftsmodelle die klassischen Märkte rasant verändern. Die Digitalisierung bringt neuen Schwung in bestehende Branchen und verlangt ihnen einen umfassenden Strukturwandel ab. In vielen Märkten steht inzwischen digital gegen analog: Das Taxigeschäft etwa muss sich gegen Uber und Co. wehren. Und in der Telekommunikationsbranche hat der Messenger-Dienst WhatsApp das SMS-Verschicken längst verdrängt.
Viele klassische Geschäftsmodelle erscheinen mittlerweile überholt, für die dazugehörige Regulierung gilt das oft ebenso. Der Gesetzgeber sollte die Marktordnungen daher auf den Prüfstand stellen und – wenn es sinnvoll ist – anpassen, argumentieren Prof. Achim Wambach, Ph.D., Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, und Vorsitzender der Monopolkommission, und Hans Christian Müller, Redakteur beim Handelsblatt, in ihrem neu im Campus Verlag erschienenen Buch "Digitaler Wohlstand für alle – Ein Update der Sozialen Marktwirtschaft ist möglich". Entscheidend dabei ist, so die Autoren, auf welchem Weg der Wettbewerb am besten gefördert und so der Wohlstand gemehrt werden kann – unabhängig davon, ob neue Regelungen eher den alten Marktakteuren nutzen oder den Digitalpionieren. Neue, eindeutige ordnungspolitische Leitplanken müssen her, fordern die Autoren.
Die Reformempfehlungen des Buches für die einzelnen Sektoren fallen dabei unterschiedlich aus: Im Taxigeschäft plädieren Wambach und Müller für flexiblere Preise und unbegrenzte Lizenzvergabe, gleichzeitig sollten sich Fahrgäste Taxitouren teilen dürfen. In der Tourismusbranche sprechen sich die Autoren dafür aus, bei der Vermietung von Wohnungen an Touristen Bagatellgrenzen einzuführen.
Der Handel wandert immer mehr ins Internet ab
Oft sind Start-ups eine große Herausforderung für Regulierungsbehörden, etwa Fintechs im Finanzbereich. Diese haben für praktisch alle Bereiche, in denen Banken tätig sind, neue Apps und Plattformangebote entwickelt, mit denen sie das Leben der Kunden einfacher machen und den trägen Sektor aufwirbeln. Für mehr Finanzstabilität brauche aber auch der Finanzmarkt neue Regeln, argumentieren Wambach und Müller, wie zum Beispiel das Sandkastenprinzip der britischen Finanzaufsichtsbehörde. Den Fintechs wird dabei ein deutlich abgespeckteres Register an Regularien auferlegt als Banken, gleichzeitig aber werden diese streng beobachtet. Der Ansatz ist ungewöhnlich, aber vielversprechend.
Zuletzt greifen die Autoren einen der größten durch die Digitalisierung betroffenen Sektoren auf – den Handel. Auch dieser steckt mitten im Strukturwandel: Viele Teilbranchen werden nach und nach „amazonisiert“. Der Handel wandert also immer mehr ins Internet ab, was die Fußgängerzonen der Städte veröden lässt. Auch wenn der Staat keine Vertriebsform bevorzugen sollte – weder den stationären, noch den Online-Handel –, so gibt es für ihn doch einige wettbewerbspolitische Probleme zu lösen, so Wambach und Müller. Es gilt, Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Handelsplattformen und kleinen Onlinehändlern zu beobachten und möglichen Missbrauch von Marktmacht zu ahnden. Die Autoren mahnen an, dass der Staat als ordnende Kraft für mehr Fairness im Handel sorgt – und das Potential der Digitalisierung nutzt, wo er besonders gefordert ist, wie etwa bei der Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln oder dem Schutz von Kulturgütern wie dem Buch.
Grundsätzlich hat der stationäre Handel den Wettkampf mit der Online-Konkurrenz sicher noch nicht verloren, schreiben die Autoren, dennoch muss er umdenken und das Einkaufen vor Ort wieder mehr zum Erlebnis machen. Denn grundsätzlich gilt: Wer den Wandel mitgestaltet, hat bessere Karten als der, der ihn einfach geschehen lässt.