Interessengruppen in den USA beeinflussen Abstimmungsverhalten bei strittigen Gesetzen

Forschung

ZEW-Studie zur Wahlkampffinanzierung in den USA

In Wahljahren sind Abgeordnete besonders auf Spenden angewiesen.

Mit Stimmenkauf zur Stimmenmehrheit: Interessengruppen spenden vermehrt an Abgeordnete des US-amerikanischen Repräsentantenhauses, um besonders strittige Gesetze mit einer knappen Mehrheit doch noch durchzubringen. Eine besonders attraktive Zielgruppe sind hierbei Abgeordnete, die dem jeweiligen Gesetzesvorschlag unvoreingenommen gegenüberstehen. Vor allem in Wahljahren nehmen die Aktivitäten von Interessengruppen rund um Abstimmungstermine von Gesetzesentwürfen deutlich zu. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des ZEW Mannheim gemeinsam mit der Universität Basel, der Universität St. Gallen und der Freien Universität Bozen.

Die Studie untersucht, wie Spenden zur Wahlkampffinanzierung und legislative Entscheidungen zusammenhängen und ob Spenden tatsächlich das Abstimmungsverhalten von Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus mit Blick auf den Gesetzgebungsprozess beeinflussen. Der Fokus der Studie liegt dabei auf solchen Gesetzesentwürfen, die mit einem knappen Stimmenvorsprung verabschiedet oder abgelehnt wurden, also Abstimmungen mit einem Ja-Anteil von knapp um die 50 Prozent. Basis der Studie bilden Daten zu namentlichen Abstimmungen und Wahlkampfspenden im US-amerikanischen Repräsentantenhaus in den Jahren 1990 bis 2014. Die Daten zu den namentlichen Abstimmungen und Gesetzen stammen aus Veröffentlichungen des US-Repräsentantenhauses, der Library of Congress sowie des Government Publishing Office (GPO) der USA. Die Daten zu den individuellen Wahlkampfspenden wurden vom Center for Responsive Politics (CRP) zur Verfügung gestellt.

In der Tat stellt die Studie einen Zusammenhang zwischen zeitlich abgestimmten Spenden von Interessengruppen und der Verabschiedung strittiger Gesetze fest. Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus stimmen Gesetzesentwürfen dabei eher knapp zu, als dass sie dagegen stimmen. Um den Zeitpunkt von namentlichen Abstimmungen herum betrachten die Wissenschaftler/innen die gesamten täglichen Wahlkampfspenden an Abgeordnete über einen Zeitraum von vier Wochen vor und nach dem Abstimmungstag. Spenden an Abgeordnete in diesem Zeitraum liegen bei Gesetzesentwürfen, die mit knapper Mehrheit verabschiedet wurden, im Durchschnitt höher als bei Gesetzesentwürfen, die mit dem gleichen engen Spielraum abgelehnt wurden. Im Durchschnitt steigen die täglichen Spendenzuflüsse in den vier Wochen vor und nach der Abstimmung um rund 190.000 US-Dollar. Das zeigt, dass der Überschuss der Ja-Stimmen anscheinend systematisch mit den Interessen der Wahlkampfspender/innen zusammenhängt.

Allgemeine Dokumente

Studie „Vote Buying in the US Congress“ (in englischer Sprache)

Interessengruppen spenden eher an unentschlossene Abgeordnete

Das Gros der Spenden fließt an Abgeordnete, die zwar bereit scheinen, das jeweilige Gesetz zu verabschieden, aber als noch unentschlossen gelten. „Gerade diese indifferenten Abgeordneten sind für Interessengruppen äußerst interessant. Lobbyisten benötigen daher genaue Kenntnisse über die Einstellungen von US-Kongressabgeordneten und richten ihre Aktivitäten entsprechend aus“, erklärt Dr. Michaela Slotwinski, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Soziale Sicherung und Verteilung“ und Ko-Autorin der Studie.

Ferner zeigt die Studie, dass sich die Aktivitäten von Interessengruppen in Wahljahren gravierender auswirken als in Jahren ohne Wahltermine. Denn in Wahljahren ist der Unterschied in den Spenden zwischen knapp gewonnenen und knapp verlorenen Abstimmungen in den vier Wochen vor und nach der Abstimmung mit durchschnittlich 280.000 US-Dollar noch deutlich höher. Grund dafür ist mutmaßlich, dass Abgeordnete mehr Geld zur Finanzierung ihrer Wahlkampagnen benötigen.

Darüber hinaus stellen die Autoren/-innen ein Zeitmuster von systematischen Unregelmäßigkeiten bei Spenden um den Abstimmungszeitpunkt fest. Mit anderen Worten: Spenden zeigen bereits ihre Wirkung, bevor das (sehr knappe) Abstimmungsergebnis feststeht. Zeitlich genau abgestimmte Spenden wirken sich also auf die Abstimmung strittiger Gesetze aus und nicht umgekehrt. Im Zeitraum von etwa zehn Tagen vor der Abstimmung bis zum Tag nach der Abstimmung sowie im Zeitraum von 15 bis 24 Tagen nach der Abstimmung in Wahljahren sind die Finanzierungsaktivitäten am intensivsten. Geld könnte unmittelbar vor der Abstimmung ein Motivator und danach eine Belohnung der Abgeordneten darstellen.

Wahlkampfspenden sind ein wirksames Mittel zur Verabschiedung strittiger Gesetze

„Wenn ein Gesetzesentwurf strittig ist und das entsprechende Abstimmungsergebnis voraussichtlich mit einem relativ knappen Spielraum entschieden wird, kann schon die Stimmabgabe eines einzelnen oder ganz weniger Abgeordneter zur Ablehnung oder zur Verabschiedung dieser Gesetze führen. Für die Interessengruppen steigt daher der Grenznutzen für die erforderlichen 50 Prozent stark an, das heißt einen weiteren Abgeordneten mit einer hohen Spende zu überzeugen ist kosteneffizient“, sagt Michaela Slotwinski.

„Interessengruppen unterstützen im Allgemeinen solche Abgeordnete finanziell, die sowieso eine ähnliche politische Position wie sie selbst vertreten. Beide Seiten beeinflussen sich hier gegenseitig: Die Interessengruppe unterstützt Abgeordnete, deren bisheriges Abstimmungsverhalten an den politischen Präferenzen der Interessengruppe ausgerichtet ist, und die Abgeordneten wiederum passen ihr Abstimmungsverhalten aufgrund von Spenden bestimmter Interessengruppen an. Das macht eine klare Identifikation des Wirkungszusammenhanges typischerweise schwierig. Unsere Studie präsentiert hierzu nun einen neuen Ansatz“, führt Michaela Slotwinksi aus.

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