Knapp ein Jahr nach Flutkatastrophe: Mehrheit befürwortet Versicherungspflicht gegen Hochwasser

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Die Mehrheit der Deutschen für eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden ist im vergangenen Jahr noch etwas angewachsen.

Mehr als zwei Drittel der deutschen Haushalte befürworten die Einführung einer Versicherungspflicht gegen Hochwasser und andere Elementarschäden. Die Zustimmung ist nach der Hochwasserkatastrophe im Jahr 2021 zudem leicht gestiegen. Das zeigt eine repräsentative Erhebung des ZEW Mannheim. Hierfür wurden rund 5.000 Haushalte im Jahr 2020 und im Jahr 2022 befragt.

„Eine klug gestaltete Versicherungspflicht könnte den Schutz der Bevölkerung deutlich erhöhen, ohne dabei marktwirtschaftliche Grundsätze aufzugeben“, sagt Dr. Daniel Osberghaus, Experte für Klimaanpassung und Hochwasservorsorge am ZEW Mannheim und Autor der Expertise. „Überdies sprechen viele Gründe dafür, die bisherige Praxis der staatlichen Ad-hoc-Hilfen zu ersetzen.“

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ZEW policy brief „Versicherung von Hochwasserschäden klimasicher und sozial verträglich gestalten“

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Nach Fluthilfe verlassen sich noch mehr Haushalte auf den Staat

Nach der Flutkatastrophe in der Eifel verlässt sich ein deutlich größerer Teil der Haushalte auf staatliche Nothilfen als zuvor.

Im Juli 2021 hatten verheerenden Sturzfluten den Westen Deutschlands heimgesucht und zahlreiche Todesopfer sowie wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe gefordert. Ein Großteil der betroffenen Haushalte war nicht versichert. So hatten beispielsweise in Rheinland-Pfalz nur 37 Prozent der Haushalte eine Gebäudeversicherung gezeichnet, die auch entsprechende Elementarschäden deckt. Aus einem 30 Milliarden Euro umfassenden Fluthilfefonds halfen Bund und Länder nicht-versicherten Menschen, ihre Häuser und Existenzen wieder aufzubauen.

„Im akuten Katastrophenfall sind staatliche Hilfen für nicht-versicherte Geschädigte unabdingbar. Langfristig setzen sie jedoch falsche Anreize und führen so zu einer schlechteren Vorsorge. Hinweise hierfür finden wir auch in unserer Erhebung nach dem Eifel-Hochwasser“, sagt Umweltökonom Osberghaus. So ist der Anteil der Haushalte, die im Schadenfall mit finanzieller Hilfe vom Staat rechnen, nach der Hochwasserkatastrophe deutlich gestiegen – von 12 Prozent der Haushalte im Jahr 2020 auf 22 Prozent im Jahr 2022.

„Bei der Hochwasser-Vorsorge allein auf den Staat zu bauen, kann sich rächen, denn Nothilfen sind für Verbraucher/innen unkalkulierbar“, erklärt Osberghaus. Erfahrungsgemäß hilft die Regierung dann aus, wenn viele Haushalte betroffen seien und deutschlandweit über die Naturkatastrophe berichtet würde. Zwischen 2002 und 2019 blieb jedoch rund die Hälfte der Hochwasseropfer ohne staatliche Unterstützung, zum Beispiel weil sie von kleineren Ereignissen betroffen waren.

ZEW-Hochwasserexperte empfiehlt eine gedeckelte Versicherungspflicht

Osberghaus schlägt daher vor, den Markt für Elementarschäden mit einer zweifachen Versicherungspflicht zu belegen: Jede privat genutzte Wohnimmobilie müsste dann gegen Hochwasserschäden versichert sein, außerdem müssten die Versicherer jedem Haushalt ein Angebot unterbreiten. „Aus ökonomischer Sicht ist wichtig, die Prämien nach Risikoklassen zu unterscheiden. Wer in hohen Risikolagen wohnt, sollte entsprechend mehr bezahlen.“ Dies setze den Anreiz, in sicheren Gebieten zu siedeln. Um soziale Härten in gefährdeten Regionen abzufedern, könnten Geringverdiener-Haushalte Osberghaus zufolge eine Subvention auf ihre Versicherungsprämie erhalten – vorausgesetzt Neubauten blieben hiervon ausgeschlossen.

Außerdem empfiehlt er, die Versicherungspflicht auf eine existenzsichernde Höhe zu begrenzen. Darüber hinaus gehende Immobilienwerte könnten die Haushalte dann freiwillig versichern. Dies würde die Versicherungsprämien innerhalb der Deckungspflicht reduzieren. „Eine solche Reform der Hochwasser-Vorsorge würde die Kosten sowohl für Verbraucher/innen als auch den Staat vorab kalkulierbar machen. Außerdem können durch die Anreize zur Risikoreduzierung die Gesamtkosten für unsere Gesellschaft sinken. Damit sorgen wir nicht nur für nachhaltige Staatsfinanzen, sondern bereiten uns auf die zukünftigen Folgen des Klimawandels vor“, erklärt Osberghaus.

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