Unternehmensgründer leiden unter Energiekrise und Ukraine-Kriegsfolgen

Forschung

Unternehmensgründungen um 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen

Um 7 Prozent ging die Zahl der Unternehmensgründungen laut einer gemeinsamen Untersuchung von Creditreform und dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Vergleich zum Vorjahr zurück.

Das Jahr 2022 markiert in vielerlei Hinsicht einen Einschnitt – so auch beim Gründungsgeschehen in Deutschland. Um 7 Prozent ging die Zahl der Unternehmensgründungen laut einer gemeinsamen Untersuchung von Creditreform und dem ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung im Vergleich zum Vorjahr zurück. In den Jahren 2020 und 2021 hatten sich die Gründerzahlen bei knapp 176.000 neuen Unternehmen eingependelt – trotz Corona-Pandemie und dadurch bedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Für das Jahr 2022 gehen Creditreform und das ZEW von nur knapp 163.000 Gründungen aus. Dieses vorläufige Ergebnis korrespondiert in etwa mit der Gewerbeanzeigenstatistik des Statistischen Bundesamtes von Januar 2023. Demnach sank die Zahl der neu angemeldeten Gewerbe um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

„Wir sehen ganz deutlich, dass Faktoren wie steigende Energiekosten, die hohe Inflation und unterbrochene oder verzögerte Lieferprozesse von Materialen und Vorprodukten das Gründungsgeschehen stark beeinflussen“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Davon sind so gut wie alle Branchen betroffen. Besonders im Verarbeitenden Gewerbe und im Hightech-Bereich schreckten viele aufgrund der Rahmenbedingungen vor einer Gründung zurück. Einziger Gewinner der Krisensituation ist der Bereich „Energieversorgung“. Die steigende Sensibilität für Energiekosten sorgte in diesen Branchen nicht nur für eine hohe Nachfrage, sondern führte auch zu deutlich mehr Unternehmensgründungen. 2022 wurden etwa 150 Prozent des Niveaus von 2015 erreicht – das waren 2022 rund 2.300 Gründungen.

Gründungsgeschehen in Deutschland von 2015 bis 2022

In den Jahren 2020 und 2021 hatten sich die Gründerzahlen bei knapp 176.000 neuen Unternehmen eingependelt – trotz Corona-Pandemie und dadurch bedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Für das Jahr 2022 gehen Creditreform und das ZEW von nur knapp 163.000 Gründungen aus.

Neben aktuellen Ereignissen belastet die langfristige demografische Entwicklung das Gründungsgeschehen. „Die zunehmende Verschärfung des Fachkräftemangels steigert auf der einen Seite die Kosten einer Gründung, auf der anderen macht sie unselbstständige Arbeitsverhältnisse attraktiver. Die Bereitschaft, ein – im Verhältnis zur Festanstellung – riskantes Gründungsprojekt anzugehen, sinkt“, sagt Dr. Sandra Gottschalk, Senior Researcher im ZEW-Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“ und Autorin der Untersuchung.

Die Zahlen von Creditreform und dem ZEW zeigen deutlich, dass der Anteil jüngerer Gründer abnimmt. Die 30- bis 39-Jährigen stellen mit knapp 30 Prozent die größte Gruppe. Um die Jahrtausendwende lag ihr Anteil allerdings noch bei mehr als 40 Prozent. Ebenfalls sinkend, wenn auch weniger stark, ist der Anteil der 20- bis 29-jährigen Gründer, während der Anteil der 50- bis 59-jährigen Gründer im gleichen Zeitraum von zehn auf inzwischen knapp 20 Prozent gestiegen ist. Auch die Anteile der 60- bis 65-Jährigen und der über 65-Jährigen am Gründungsgeschehen haben sich vergrößert.

Entwicklung der Altersstruktur von Gründern im Jahr der Gründung

Die 30- bis 39-Jährigen stellen mit knapp 30 Prozent die größte Gruppe. Um die Jahrtausendwende lag ihr Anteil allerdings noch bei mehr als 40 Prozent.

Als mögliche Gründe für diese Entwicklung vermutet Sandra Gottschalk zum einen, dass ältere Menschen zunehmend länger gesund bleiben und zum anderen im Mittel vermögender sind als frühere Kohorten älterer Menschen. Die heutigen Ü-60-Gründer setzen ihr Kapital häufig als sogenannte „Founding Angels“, also als Privatinvestoren ein, um Start-ups finanziell zu unterstützen und ihre Berufserfahrung einzubringen. Damit schließen sie einen kleinen Teil der Finanzierungslücke, mit der Gründer vielfach konfrontiert sind.

Banken sind vielfach zurückhaltend, weil sie das Risiko scheuen. Junge Unternehmen, die Innovationen vorantreiben und das Potenzial haben, schnell zu wachsen, werden deshalb eher von Risikokapitalgebern finanziert. „Vor diesem Hintergrund wird es spannend sein, was aus den geplanten neuen Finanzierungsregeln für Start-ups wird, die die Bundesregierung angekündigt hat“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch. „Es bleibt abzuwarten, ob sie den Zugang zum Kapitalmarkt verbessern – und wieder mehr Gründungen in Deutschland ermöglichen.“