Wirtschaftskrisen sind Wegbereiter von Reformen

Forschung

Trotz eines breiten Grundkonsenses über die Notwendigkeit von Reformen gibt es derzeit wenig Anzeichen für ein Ende des Reformstaus in Deutschland. In der Diskussion über die Gründe für den äußerst zähen Reformprozess werden verschiedene Faktoren genannt.

Gut organisierte Interessengruppen, die durch Veränderungen Nachteile erleiden, können Reformen verhindern, obwohl diese der Gesellschaft insgesamt nutzen würden. Immer wieder wird auch auf den Einfluss der Altersstruktur der Bevölkerung verwiesen. Je höher der Altersdurchschnitt eines Landes sei, desto schwerer falle es der Politik, Reformen durchzusetzen, die kurz- und mittelfristig den Bürgern Härten zumuteten, von denen Erträge aber nur auf lange Sicht zu erwarten seien. Schließlich spielt auch folgende Erklärung eine Rolle: Erst eine durchgreifende Krise schaffe genügend Bereitschaft zur Veränderung und die ökonomischen Daten in Deutschland seien dafür noch nicht "schlecht genug".

Wissenschaftler am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim wollten nun genauer wissen, welche Faktoren für die Reformfähigkeit einer Gesellschaft ausschlaggebend sind. Bei ihren Untersuchungen zeigte sich zwar, dass Staaten, die Reformen in Angriff nehmen, im Schnitt eine jüngere Bevölkerung aufweisen als Nicht-Reformstaaten. Ein starker Zusammenhang zwischen der Reformneigung eines Staates und dem Altersdurchschnitt seiner Bevölkerung lässt sich allerdings nicht belegen.

Großen Einfluss darauf, ob Reformprozesse in Angriff genommen werden, haben dagegen nach Erkenntnis der ZEW-Forscher Faktoren wie die ökonomische Freiheit und das Wirtschaftswachstum. So sind Reformstaaten am Vorabend von Reformen durch ein geringeres Maß an ökonomischer Freiheit gekennzeichnet, gemessen unter anderem an der Bedeutung des Staatssektors, der Freiheit zu internationalen Transaktionen oder dem Regulierungsgrad. Und auch beim Wirtschaftswachstum zeigt sich ein signifikanter Befund: Je stärker sich die wirtschaftliche Lage, etwa in Form fallender Wachstumsraten, verschlechtert, desto wahrscheinlicher kommt es zu durchgreifenden Reformen.

Grundlage der ZEW-Untersuchung, die sich ausführlich in einem Beitrag des aktuellen ZEW-Konjunkturreports Juni 2004 wiedergegeben findet, ist der vom kanadischen Fraser-Institut veröffentlichte Index "Economic Freedom of the World" (EFW). Dieser Index ist gegenwärtig für 123 Staaten der Erde verfügbar und reicht in Fünfjahresschritten zurück bis zum Jahr 1970.

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Dr. Friedrich Heinemann, Telefon: 0621/1235-149, E-Mail: heinemann@zew.de

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