Don't Tax Me? Determinants of Individual Attitudes Toward Progressive Taxation
ZEW Discussion Paper Nr. 10-017 // 2010Eine progressive Einkommensbesteuerung kann sich zwar negativ auf die individuellen Anreize für privatwirtschaftliche Aktivität und damit auch auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum auswirken, Reformvorhaben mit dem Ziel der Einführung alternativer Steuersysteme stoßen jedoch regelmäßig auf erheblichen politischen Widerstand. Die vorliegende Arbeit soll daher zu einem besseren Verständnis der Determinanten der individuellen Einstellung gegenüber progressiver Besteuerung und damit auch der politischen Durchsetzbarkeit entsprechender Reformmaßnahmen beitragen.
Traditionelle polit-ökonomische Ansätze unterstellen, dass persönlicher Eigennutz maßgeblich für die Zustimmung zu Umverteilungsmaßnahmen ist. Allerdings können vornehmlich eigennutzbasierte Modelle keine Begründung dafür liefern, dass in vielen Industrieländern scheinbar eine Mehrheit der Wähler progressive Steuersysteme bevorzugt. Um eine möglichst umfassende Analyse der Determinanten der individuellen Präferenzen für Steuerprogression zu erhalten, werden neben vornehmlich eigennutzbasierten Erklärungsfaktoren auch Fairnessaspekte (z.B. Gerechtigkeitspräferenzen, wirtschaftliche Beliefs und die wahrgenommene Gerechtigkeit des Status quo) betrachtet.
Die empirischen Analysen basieren auf repräsentativen Umfragedaten für Deutschland, die im Rahmen der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS) im Jahr 2000 erhoben wurden. Neben Informationen über Steuerpräferenzen enthält ALLBUS zahlreiche Daten zu individuellen Gerechtigkeitsüberlegungen sowie der objektiven sozioökonomischen Situation der Befragten.
Die Ergebnisse unserer empirischen Untersuchung zeigen, dass die individuelle Einstellung gegenüber einer progressiven Besteuerung nicht alleine durch Eigennutzüberlegungen determiniert wird. Vielmehr spielen Gerechtigkeitsüberlegungen bei der Präferenzenbildung eine maßgebliche Rolle: Personen, die keine ausgeprägte Präferenz für eine Verteilung auf Basis des Bedarfsprinzips aufweisen, die individuelle Anstrengung als wesentlich für wirtschaftlichen Erfolg erachten und die bestehende Einkommensverteilung als gerecht beurteilen, fordern weniger häufig progressive Steuersätze. Mit der Erkenntnis, dass Individuen nicht immer dasjenige Steuersystem präferieren, das ihnen selbst den größten Nutzen verspricht, sondern auch Fairnessmotive in ihrem Urteil berücksichtigen, gehen wichtige politische Implikationen einher: So sollte eine erfolgreiche Präsentation von (wachstumsfördernden) Steuerreformen auch auf Gerechtigkeitsaspekte eingehen.
Heinemann, Friedrich und Tanja Hennighausen (2010), Don't Tax Me? Determinants of Individual Attitudes Toward Progressive Taxation, ZEW Discussion Paper Nr. 10-017, Mannheim.