Ist ein Abbau der deutschen Staatsverschuldung machbar? "Keynes ist im Aufschwung oft vergessen"
NachgefragtDeutschlands Konjunktur läuft wie geschmiert. Der Export bricht alle Rekorde, der Aufschwung lässt die Arbeitslosigkeit weiter sinken und der Fiskus kann sich auf Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe einstellen. Wie realistisch die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte vor diesem Hintergrund ist, erklärt Dr. Friedrich Heinemann.
PD Dr. Friedrich Heinemann ist Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am ZEW. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der empirischen Finanzwissenschaften. Darüber hinaus untersucht er Fragestellungen des Fiskalwettbewerbs und Föderalismus in Europa. Von der Universität Heidelberg wurde Heinemann im Jahr 2010 die Lehrbefugnis im Fach Volkswirtschaftslehre erteilt. Neben seinem Engagement in verschiedenen wissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaften ist Heinemann unter anderem Vorstandsmitglied des Arbeitskreises Europäische Integration e.V. und Mitglied im Wissenschaftlichen Direktorium des Instituts für Europäische Politik, Berlin.
Während der Wirtschaftskrise wurde das Wachstum mit milliardenschweren Konjunkturpaketen stimuliert. Warum muss der Staat nun den Hebel umlegen und in guten Zeiten sparen?
Die deutsche Volkswirtschaft erlebt gerade das zweite Jahr mit einer außergewöhnlich hohen Wachstumsrate. Der daraus resultierende starke Zuwachs der Einnahmen ist erfreulich, kann aber nicht fortgeschrieben werden. Die europäischen und weltwirtschaftlichen Risiken bleiben hoch und Deutschland ist über den Euro-Rettungsschirm zum unverzichtbaren Stabilitätsanker der Eurozone geworden. Daher müssen Bund und Länder weiterhin die Defizite senken, auch um Vorsorge für schlechtere konjunkturelle Zeiten zu schaffen. Es ist schon interessant, dass man von keynesianischen Ökonomen derzeit wenig hört: Eigentlich müssten die ja nun umfassende Sparprogramme fordern. Aber Keynes ist offenbar nur eine Leitfigur für den Abschwung ("höhere Defizite!"), dessen Botschaft im Aufschwung ("Schulden tilgen!") dann vergessen wird.
Wie sollten die Steuermehreinnahmen verwendet werden?
Ein Schuldenabbau ist leider noch in weiter Ferne, es geht weiterhin um den Abbau von Defiziten, also um eine Verringerung in den Fehlbeträgen der öffentlichen Haushalte. Noch so hehre Ziele wie Bildung oder Energiesicherheit sind in Boomjahren keine Legitimation für neue Schulden. Die Interessen der jungen und nachfolgenden Generationen müssen in der Finanzpolitik genauso wie in der Umwelt- oder Bildungspolitik gewahrt bleiben.
Die Schuldenkrise einiger Länder im Euroraum dauert an. Mit welchen Belastungen müsste der deutsche Steuerzahler rechnen, sollte es tatsächlich zur Umschuldung einiger Länder kommen?
Das kommt auf den Zeitpunkt an. Je länger die am Ende unausweichliche Umschuldung hinaus geschoben wird, desto höhere Kosten kommen auf die Steuerzahler in der gesamten Eurozone zu. Monat für Monat tilgen Griechenland, Irland und Portugal derzeit Altschulden, die dann durch Kredite aus dem Griechenland-Kreditpaket und dem Euro-Rettungsschirm mit Garantien der Euro-Mitgliedstaaten und ihrer Steuerzahler refinanziert werden. Monat für Monat wird somit das Risiko vom privaten in den öffentlichen Sektor verlagert. Ist am Ende eines Prozesses der ständig neuen Kreditlinien, etwa im Fall Griechenlands, die gesamte Schuld des Landes europäisiert und kommt dann erst ein Schuldenschnitt, dann kann das den deutschen Steuerzahler einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag kosten.
Wie kann vermieden werden, dass die Schuldenkrise im Euroraum Deutschlands Wachstum und den Abbau der eigenen Staatsverschuldung gefährdet?
Es muss endlich zumindest für Griechenland eine geordnete Umschuldung in Angriff genommen werden, solange private Gläubiger überhaupt noch in nennenswertem Umfang Forderungen gegen die Problemstaaten haben. Sollte es dabei zur Gefährdung von einzelnen Banken kommen, dann müssen diese eben wieder gestützt werden. Eine Stützung einzelner Kreditinstitute ist am Ende deutlich preiswerter zu haben als ein durch den Steuerzahler finanzierter Schuldenerlass. Eine überzeugende Lösung der griechischen Überschuldung durch einen Schuldenschnitt ist auch Vorbedingung dafür, dass überhaupt wieder Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der Europäer entstehen kann.