Die Zeitarbeit hat sich in den vergangenen Jahren außerordentlich dynamisch entwickelt. Die Arbeit der Leiharbeitnehmer – so ihre gesetzliche Benennung – stieg von rund 340 Tausend Personen Ende des Jahres 2000 auf 824 Tausend Ende des Jahres 2010. Dieser Anstieg hat sich im Jahr 2011 fortgesetzt. Allerdings ist die Bedeutung der Zeitarbeit nach wie vor gering. Der Anteil der Leiharbeitnehmer an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten beläuft sich derzeit auf knapp 3 v. H. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit auf dem fünften Platz, beispielsweise nach dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden.

Die Leiharbeit steht in der Öffentlichkeit nach wie vor im Kreuzfeuer der Kritik. Es handele sich um prekäre Beschäftigungsverhältnisse, weil die Entlohnung in diesen Arbeitsverhältnissen im Vergleich zu einem Normalarbeitsverhältnis niedriger und die Beschäftigungsstabilität von Zeitarbeitsverhältnissen geringer sei. In der Tat belief sich der angesprochene Lohnabstand in den Jahren 2008 und 2009 auf 20 v. H. beziehungsweise 10 v. H. Hierbei ist der unterschiedlichen Struktur der Zeitarbeitskräfte im Vergleich zu Arbeitnehmern in Normalarbeitsverhältnissen Rechnung getragen, denn Leiharbeitnehmer besitzen häufiger als andere Erwerbstätige keinen Berufsabschluss und sind jünger. Des Weiteren ist in der Zeitarbeitsbranche das Risiko, den Arbeitsplatz wieder zu verlieren, wesentlich höher.

Solche Vergleiche stehen und fallen jedoch mit der Referenzgruppe "Normalarbeitsverhältnis", also einem unbefristeten sozialversicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsverhältnis. Sicherlich ist ein solcher Arbeitsplatz vorzuziehen, aber nicht allen Arbeitslosen steht diese Option zur Verfügung. Ganz allgemein gilt: Ein geringqualifizierter Arbeitnehmer stellt sich im Vergleich zur Arbeitslosigkeit besser, selbst wenn er zu einem nicht existenzsichernden Entgelt arbeitet, welches mit Hilfe des Arbeitslosengeld II aufgestockt wird, sodass sein Lebensunterhalt gewährleistet und er in den Arbeitsmarkt integriert ist.

Zudem gibt es starke empirische Hinweise, dass die Zeitarbeit für eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt förderlich ist. Diese Wirkung zeigt sich häufig erst mit einer Zeitverzögerung und fällt vielleicht gegenüber unrealistisch hohen Erwartungen bescheiden aus. Aber zur Überwindung der Arbeitslosigkeit bedarf es eines Bündels zielführender Instrumente. Die Zeitarbeit gehört dazu. Darauf hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem neuen Jahresgutachten aufmerksam gemacht.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte im Dezember eine Gewerkschaft der Zeitarbeitsbranche für tarifunfähig erklärt, weil sie bestimmte, vom BAG neu definierte Anforderungen an eine Tariffähigkeit verfehlte. Da die Tariffähigkeit der Vertragsparteien eine Voraussetzung für die Wirksamkeit abgeschlossener Tarifverträge ist, hat die Entscheidung des BAG zur Folge, dass die betroffenen Arbeitnehmer sowie die Sozialversicherungsträger zumindest seit dem Zeitpunkt der Entscheidung des BAG Ansprüche auf Restvergütung und Sozialversicherungsbeiträge geltend machen können. Dies ist unstrittig. Der Streit geht vielmehr darum, ob diese Forderungen rückwirkend für sämtliche mit dieser Gewerkschaft abgeschlossenen Tarifverträge erhoben werden können.

Nach Ansicht des Sachverständigenrats sollte den betroffenen Zeitarbeitsunternehmen ein Vertrauensschutz für die Zeiten vor der Entscheidung des BAG gewährt werden. Denn diese Firmen konnten nicht vorhersehen, dass die abgeschlossenen Tarifverträge aufgrund einer Änderung der Rechtssprechung rechtsunwirksam sind.

Der Gesetzgeber sollte sich ebenfalls angesprochen fühlen und prüfen, ob die Tariffähigkeit klarer zu regeln ist. So gibt es beispielsweise in Österreich ein Schnellverfahren, welches die Tariffähigkeit des Verhandlungspartners zeitnah feststellen kann.

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Wolfgang Franz
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz
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