"Ist dies schon Tollheit, hat es doch Methode." An diesen Ausspruch des Polonius aus Shakespeares Drama "Hamlet" erinnern die Bestrebungen einiger ausländischer Regierungen des Euroraums, eine funktionstüchtige Europäische Bankenunion mit Beginn des Jahres 2013 eingerichtet zu haben. Die "Tollheit" liegt in der Unmöglichkeit, dies in wenigen Wochen umzusetzen, angefangen von der juristisch schwierigen, gesetzlichen Verankerung, bis hin zu dem politischen Aufbau einer solchen Institution, die immerhin mehrere tausend Banken wirkungsvoll beaufsichtigen soll. Die "Methode" ist offenkundig, denn erst mit einer Bankenunion können - gemäß den Beschlüssen der Eurogruppe vom 29. Juni 2012 - Banken in Schieflage vom Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) unter bestimmten Auflagen rekapitalisiert werden. An diese Gelder heranzukommen, kann einigen Regierungen naheliegenderweise nicht schnell genug gehen, am liebsten natürlich gleich verbunden mit einer europaweiten Einlagensicherung.

Eine solche Hast beschädigt die prinzipiell vernünftige Idee einer Europäischen Bankenunion bereits vor ihrem Start, weil ihre Schaffung nun mit größerem Misstrauen begleitet wird. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat jedoch unmissverständlich dargelegt, dass eine Bankenunion kein Instrument zur Lösung der gegenwärtigen Finanzkrise darstellt. Damit stellen sich drei Fragen. Wozu taugt eine Europäische Bankenunion, welcher Ordnungsrahmen soll für sie gelten und wie gestaltet sich der Weg dort hin?

Im Rahmen eines langfristigen Ordnungsrahmens für die Währungsunion hat der Sachverständigenrat sein Drei-Säulen-Modell "Maastricht 2.0" konkretisiert. Neben den beiden Säulen für fiskalische Stabilität und für die Krisenbewältigung bildet eine europäische Finanzaufsicht, die über umfassende Kompetenzen und Durchgriffsrechte verfügt, die dritte Säule. Sie steht für die Stabilität des privaten Finanzsystems in Form einer Europäischen Bankenunion mit einer Europäischen Aufsichtsbehörde, einer Europäischen Restrukturierungsagentur und einem Europäischen Restrukturierungsfonds. Der Europäischen Bankenunion kommt hierbei die Aufgabe nicht nur der Vergabe von Banklizenzen, der ständigen Aufsicht über die Finanzinstitute und der Frühintervention zu, also die mikroprudenzielle Aufsicht, sondern zudem als makroprudenzielle Aufsicht die Identifikation von Systemrisiken und die Festlegung zusätzlicher Eigenkapitalpuffer der Banken. Die Europäische Restrukturierungsagentur ist zuständig für die Restrukturierung und Abwicklung von Banken in Schieflage bei Gefahr für die Stabilität des europäischen Finanzsystems und erhält dafür Mittel aus dem Europäischen Restrukturierungsfonds, der sich seinerseits unter anderem durch eine europäische Bankenabgabe speist.

Zwei Einzelpunkte verdienen Beachtung. Bei der Europäischen Bankenaufsicht spricht sich der Sachverständigenrat dagegen aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) diese Aufgabe übernimmt, weil die Aufsicht in Konflikt mit der Geldpolitik kommen kann. So könnte beispielsweise die Gefährdung der Preisniveaustabilität eine restriktive Geldpolitik erforderlich machen, während aus Sicht der Bankenaufsicht eher eine großzügige Liquiditätsversorgung in Schwierigkeiten geratener Banken angezeigt sein mag. Da die Politik jedoch die EZB mit der Bankenaufsicht betrauen will, stellt sich das juristische Problem der rechtlichen Umsetzung. Vermutlich müssen dafür die EU-Verträge geändert werden, da die bestehende Rechtsvorschrift (Artikel 127 Abs. 6 AEUV) mit solchen weitgehenden Kompetenzen der EZB nicht kompatibel sein dürfte.

Zum zweiten hält der Sachverständigenrat eine europaweite Einlagensicherung für nicht erforderlich. Dies kann in nationaler Verantwortung bewerkstelligt werden. Falls dabei finanzielle Schwierigkeiten für den betreffenden Staat entstehen sollten, bliebe der Weg über den ESM. Abwegig ist die Idee, bereits jetzt eine europaweite Einlagensicherung zu verankern. Dies liefe darauf hinaus, eine Versicherung abschließen zu wollen, wenn der Schadensfall schon eingetreten ist.

Der zeitraubende Übergang in eine Bankenunion sollte sich in drei Phasen vollziehen: Schaffung der rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen, Qualifizierung der Banken und schließlich vollumfängliche Bankenunion. Eine Maßgabe gilt allemal: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit!

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Wolfgang Franz
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz
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