Roland Koch spricht am ZEW
VeranstaltungsreihenRoland Koch, Vorstandsvorsitzender der Bilfinger SE, referierte am 21. Januar 2013 am ZEW über Deutschland im Spannungsfeld zwischen Erfolg und Wirtschaftskrise. Zu der Veranstaltung im Rahmen der Vortragsreihe "Wirtschaftspolitik aus erster Hand" konnte ZEW-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz rund 250 Gäste am ZEW begrüßen.
Ein erstes Spannungsfeld ergebe sich für Deutschland und Europa aus der globalen Machtverschiebung, sagte Roland Koch zum Auftakt seines Vortrags. Diese Machtverlagerung äußere sich ökonomisch und gesellschaftlich. So trügen die 500 Millionen Zentraleuropäer in wenigen Jahren nur noch einen einstelligen Beitrag zum weltweiten Wirtschaftswachstum bei, während insbesondere China mit seinen rund 1,3 Milliarden Menschen zur ökonomischen Supermacht neben den Vereinigten Staaten aufsteige. Damit verbunden sei die Verschiebung gesellschaftlicher Werte. Die Europäer gingen ganz selbstverständlich davon aus, dass mit einer Marktwirtschaft individuelle Freiheitsrechte einhergingen. China beweise jedoch, dass Marktwirtschaft auch ohne die Freiheit des Einzelnen funktionieren könne.
Ein weiteres Spannungsfeld liege in Europa selbst, sagte Koch. So habe Europa ein Stück weit seine ursprüngliche Vision verloren, wonach durch die europäische Einigung ein friedliches Zusammenleben aller Nationen gesichert werden sollte. Heute habe aber niemand mehr in Europa Angst vor einem Krieg. Das sei einerseits ein sehr glücklicher Umstand, andererseits wüssten aber immer weniger Menschen, warum sie Europa mittragen sollten. Dazu komme ein massiver Vertrauensverlust in die Gestaltungskraft Europas. Denn politische Entscheidungen seien in Europa meist langwierig und hinkten den gegebenen Notwendigkeiten häufig hinterher. Auch die schwere Schuldenkrise im Euroraum belaste das Miteinander. Sie führe dazu, dass einige Länder ihre Nachbarn mit Missgunst betrachteten, sagte Koch. Dies gelte zum Beispiel für viele Menschen in Deutschland, die Griechenland gerne aus der Eurozone ausschließen würden. Häufig begegne er der Meinung, Griechenland habe sich den Euro erschwindelt und habe dafür einen Denkzettel verdient. Aber auch Deutschland werde mit Missgunst bedacht, weil seine Wirtschaft robust sei, während andere Länder in tiefer Rezession, teilweise sogar Depression steckten.
Für Deutschlands wirtschaftlichen Erfolg und insbesondere seinen robusten Arbeitsmarkt inmitten der Eurokrise sei vor allem seine industrielle Basis verantwortlich. Während die Industrie aus vielen anderen europäischen Ländern abgewandert sei, habe Deutschland seine mittelständisch geprägten Industrieunternehmen halten können, sagte Koch. Maßgeblich hierfür sei Deutschlands mittelstandsorientierte Politik, ebenso wie eine kluge langjährige lohnpolitische Zurückhaltung der Gewerkschaften. Auch in Zukunft müsse die Industrie in Deutschland gehalten werden, forderte der Vorstandschef von Bilfinger. Länder, die voll auf den Dienstleistungssektor gesetzt hätten, allen voran Großbritannien mit seiner Finanzwirtschaft, wären von der Wirtschaftskrise besonders stark betroffen. Denn im Dienstleistungssektor gebe es wenige sehr gut bezahlte Jobs für einige Hochqualifizierte, dafür aber viele Jobs im Niedriglohnbereich. Die Industrie böte dagegen vielen gut ausgebildeten Facharbeitern gute Verdienstmöglichkeiten. Dies habe positive Folgen für den Arbeitsmarkt aber auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
"Welchen Weg sollen Deutschland und Europa angesichts der skizzierten Spannungsfelder einschlagen?", fragte Koch. Zuallererst gelte es, ein Auseinanderfallen der Eurozone zu verhindern. Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Währungsunion zöge einen massiven Vertrauensverlust nach sich. Dann sei es nur eine Frage der Zeit, bis andere Länder ebenfalls austreten würden. Europa müsse aber zusammenbleiben, um seinen Wohlstand, sein Lebensmodell und seine Werte zu bewahren. Die Chancen, dass dies gelinge, stünden gar nicht schlecht, erklärte Koch. So seien in den Krisenländern bereits erfolgversprechende Reformen zum Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstruktur auf den Weg gebracht worden. Es werde aber lange Zeit brauchen, bis hier die Früchte geerntet werden könnten.
Auch mit Blick auf die weltweiten Zusammenhänge habe Deutschland Möglichkeiten, diese mitzugestalten, sagte Koch. So sei Deutschland beispielsweise Mitglied in der Welthandelsorganisation, in die China aufgenommen werden wolle. Hier habe Deutschland Spielraum, seine Regeln ein Stück weit durchzusetzen. Diesen Spielraum gelte es zu nutzen.
Für Rückfragen
Kathrin Böhmer, Tel. 0621 1235-103, Email boehmer@zew.de