Der Koalitionsvertrag zur Weihnachtszeit

Standpunkt

Wer will schon in der Vorweihnachtszeit ans Kürzen oder Sparen denken? Wir denken lieber an den Nikolaus. In einer weniger bekannten Variante der Nikolauslegende steht eine Familie im Mittelpunkt, die ihr Vermögen verjubelt hat. Der Vater ist verzweifelt. Doch in der Nacht hört er plötzlich ein leises Klimpern. Und siehe da, am nächsten Morgen findet er einen Sack mit Goldstücken im Wohnzimmer. Der Nikolaus war da. Bei der Gestaltung des Koalitionsvertrags waren Union und SPD offenbar von ähnlich festlicher Stimmung und froher Hoffnung bewegt. Eine lange Liste von Geschenken wurde da bestellt. Mütterrente, Lebensleistungsrente, Frühverrentung schon mit 63 Jahren. Da leuchten die Augen der Kinder, wenn sie an die Zukunft denken, denn auch sie werden einmal alt sein. Mindestlöhne für alle, die Mieten sollen nicht mehr steigen, die Strompreise auch nicht. Die Kommunen bekommen mehr Geld, mehr Straßen werden gebaut. Kurz, alle werden bedacht, keiner soll vergessen werden.

Wie wir das bezahlen? Nur wer kleinlich ist, fragt das zum Weihnachtsfest. Wie es künftig weitergeht? Der Nikolaus kommt jedes Jahr. Aber Vorsicht! Er ist nicht allein. Denkt an Knecht Ruprecht, seinen finsteren Begleiter! Er bestraft die Bösen. Dass das sein muss, haben die Koalitionäre nicht vergessen. Entschlossen wollen sie das Verbrechen bekämpfen. Ihr Zorn trifft aber nicht nur die üblichen Verdächtigen - an erster Stelle nennen sie die Unternehmen. Beispielsweise ist geplant, das Ordnungswidrigkeitenrecht im Unternehmensbereich auszubauen. Ein Unternehmensstrafrecht für multinationale Konzerne soll geprüft werden. Warum nur für multinationale Konzerne und nicht für national agierende Firmen? Und wehe dem Vermögen! Das Recht zur Vermögensabschöpfung wird vereinfacht, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten erleichtert, die nachträgliche Vermögensabschöpfung ermöglicht. Wer überhaupt Vermögen hat, soll beweisen müssen, dass er es nicht kriminell erworben hat. Wirtschaftskriminalität muss verfolgt werden, und die aktuellen Fälle von Zinsmanipulationen und Korruption zeigen, dass hier Handlungsbedarf besteht. Es sollte aber nicht der Eindruck entstehen, multinationale Unternehmen oder Banken würden generell verdächtigt, kriminell zu sein.

Ach ja, eins fehlt zum Jahreswechsel noch. Die guten Vorsätze. Damit ist der Vertrag reichlich geschmückt. Die Staatsausgaben sollen 'möglichst' nicht schneller wachsen als das Bruttoinlandsprodukt. Subventionen - alte und neue - wollen Union und SPD nicht gleich abbauen, aber immerhin überprüfen. Die Investitionsorientierung des Bundeshaushalts wollen sie stärken. Die Staatsschuldenquote möchten die Koalitionäre - Geschenkesegen hin oder her - in den nächsten zehn Jahren von heute 81 Prozent auf unter 60 Prozent senken. Von nachhaltiger Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist die Rede. Von Sozialkassen, die auch in Zukunft leistungsfähig sind. Es wäre schön, wenn es so käme.

Die Weihnachtszeit, liebe Freunde des ZEW, ist eine Zeit des Innehaltens und der Besinnung. Nicht alles, was im Koalitionsvertrag steht, ist festlicher Überschwang. Die guten Vorsätze sind da, aber sie sind wenig konkret. Das ist nicht genug, aber besser als nichts. Ich bin zuversichtlich, dass wir alle, Wähler und Politiker, in der Festzeit in Ruhe überdenken werden, ob alles richtig war, was wir im letzten Jahr angestellt haben, wo wir stehen und was künftig zu tun ist. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein frohes Fest und einen guten Start ins Jahr 2014.

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