Zum Vorschlag einer europäischen Energieunion - Von einer Energieunion könnte vor allem Osteuropa profitieren
NachgefragtVor dem Hintergrund der Ukraine-Krise wirbt insbesondere Polen für eine gemeinsame europäische Energiepolitik, um seine Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu verringern. Umweltökonom Prof. Dr. Andreas Löschel bewertet die Chancen und Risiken einer Energieunion.
Prof. Dr. Andreas Löschel leitet den Forschungsbereich Umwelt- und Ressourcenökonomik, Umweltmanagement am ZEW. Darüber hinaus ist er Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg. Löschel fungiert als Leitautor für den 5. Sachstandsbericht (2010-2014) des Weltklimarates (IPCC). Er ist Vorsitzender der Expertenkommission, die im Auftrag der Bundesregierung regelmäßig den Sachstand bei der Energiewende beurteilt.
Was halten Sie von dem Vorschlag, dass künftig die EU die Verträge zum Beispiel mit Russland über Gaslieferungen in einzelne EU-Länder aushandeln soll? Würde Deutschland davon profitieren?
Gemeinsam hat Europa eine größere Verhandlungsmacht gegenüber Russland als einzelne Mitgliedsstaaten. Es ist jedoch zu beachten, dass Unternehmen Gaslieferverträge mit Russland schließen und sich diese im Wettbewerb miteinander befinden. Die EU kann die Unternehmen bei gemeinsamen Verhandlungen mit Gaslieferanten unterstützen, darf aber dabei nicht den Wettbewerb innerhalb Europas gefährden. Nur wenn dieser Spagat gelingt, kann Europa durch gemeinsames Agieren gewinnen, und dann profitiert auch Deutschland davon.
Europa betreibt bereits eine gemeinsame Klimapolitik. Wäre es da nicht ein logischer Schritt, auch die Energiepolitik für alle Mitglieder zu vergemeinschaften oder liefe eine europäische Energieunion Gefahr, klimapolitische Ziele wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen?
In dem politischen Ziel, unabhängiger von bestimmten Lieferländern zu werden, herrscht weitgehend Einigkeit zwischen den EU Staaten. Keine Einigkeit besteht über die Wahl der Mittel zur Erreichung dieses Ziels. Die einen sehen durch den vermehrten Einsatz von erneuerbaren Energieträgern eine Möglichkeit diese Abhängigkeit langfristig zu mindern. Andere – zum Beispiel Polen – favorisieren dagegen eine stärkere Nutzung heimischer Kohle und Förderung von unkonventionellem Erdgas. Es existiert hier also ein Trade-off zwischen den klimapolitischen Ambitionen und dem Vermeiden politischer Risiken. Diese Abwägung ist auf EU-Ebene leichter zu treffen als wenn jeder Mitgliedstaat seinen eigenen Weg geht.
Wie müsste eine europäische Energieunion aussehen, damit sie ihr Ziel – eine größere Unabhängigkeit von russischem Erdgas und anderen Energieimporten – tatsächlich erreicht?
Die Unabhängigkeit von Energieimporten ist für sich genommen kein ökonomisch sinnvolles Ziel. Es ergibt sich aber – vor allem aus den politischen Risiken in einzelnen Ländern – eine Notwendigkeit zur Diversifikation von Bezugsländern. Dabei ist eine Abhängigkeit von einem bestimmten Lieferland grundsätzlich weniger dramatisch, wenn dieses Abhängigkeitsverhältnis auf beiden Seiten zu finden ist. Für eine geringere Abhängigkeit ist eine bessere Vernetzung innerhalb der EU erforderlich. Bezogen auf Erdgas ist nicht nur die Diversifizierung der Lieferländer, sondern auch die Wahl von unterschiedlichen Bezugsrouten und Transitstrecken entscheidend. Dies war etwa bei der Errichtung der Nord Stream Pipeline nach den Gaskrisen von 2006 und 2009 zu beobachten.
Welche Länder würden am stärksten von der Vergemeinschaftung der Energiepolitik profitieren?
Von einem einheitlicheren Auftreten der EU in Verhandlungen und einer besseren Vernetzung innerhalb der EU würden in der jetzigen Situation vor allem die osteuropäischen Länder profitieren. Diese sind sehr stark von Lieferungen aus Russland abhängig und besitzen zudem wenig alternative Bezugsmöglichkeiten. Sie könnten mit höherer Versorgungssicherheit und einem geringeren Preis rechnen. Momentan unterscheiden sich die Preise für Erdgas in den einzelnen Mitgliedstaaten noch erheblich. Unternehmen in Deutschland beziehen wohl momentan Erdgas aus Russland zu einem geringeren Preis als Unternehmen in osteuropäischen Ländern.