ZEW-Präsident Clemens Fuest spricht sich für eine grundlegende Reform der Erbschaftsteuer in Deutschland aus

Kommentar

Das Bundesverfassungsgericht hat das Erbschaftsteuerrecht in seiner derzeitigen Form für unzulässig erklärt. Demnach sind die Steuerbefreiungen beim Vererben von Betrieben weitgehend verfassungswidrig. ZEW-Präsident Prof. Dr. Clemens Fuest kommentiert das Urteil der Karlsruher Richter - und empfiehlt der Politik, die Erbschaftsteuer von Grund auf zu erneuern.

"Die Politik sollte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anlass nehmen, die Erbschaftsteuer grundlegend zu reformieren. Die Steuersätze sollten für alle Erben deutlich gesenkt werden, auf acht bis zehn Prozent. Dafür sollten die speziellen Verschonungsregeln vollständig entfallen und durch eine unbürokratische Stundungsregel ersetzt werden, die Liquiditätsprobleme entschärft. Nur so kann eine gerechte und ökonomisch tragbare Besteuerung von Erbschaften gesichert werden.

Das Urteil eröffnet leider die Möglichkeit, die Reform darauf zu beschränken, dass die hohen Steuersätze von bis zu 50 Prozent und die Verschonungsregeln im Kern fortbestehen, die Bedingungen für die Verschonung aber verschärft werden. Das ist der falsche Weg, weil diese Bedingungen ökonomisch schädliche Nebenwirkungen entfalten. Das gilt vor allem für die Bedingung, dass Betriebsvermögen nur verschont werden, wenn die Lohnsumme fünf Jahre nach dem Erbfall nicht unter ein Mindestniveau sinkt. Diese Auflage kann erheblichen wirtschaftlichen Schaden anrichten, weil sie betriebswirtschaftlich notwendige Umstrukturierungen verhindert. Nach einem Betriebsübergang auf die Erben ist es besonders wahrscheinlich, dass Umstrukturierungen betriebswirtschaftlich notwendig sind.

Nach dem Urteil muss die Lohnsummenregel künftig auch für kleine Unternehmen mit unter 20 Beschäftigten gelten, die bislang davon befreit sind. Bei großen Unternehmen sollen weitere Bedingungen für die Verschonung hinzukommen. Es besteht die Gefahr, dass die Erbschaftsteuer dadurch noch bürokratischer wird und die Auflagen für die Verschonung noch größeren Schaden anrichten, als es heute schon der Fall ist."