ZEW-Präsident Franz über Unisex-Tarife und eine überzogene Antidiskriminierungspolitik

Standpunkt

Der Beitrag findet sich in der aktuellen Ausgabe der ZEWnews 12/2004

Unisex

 

Nein, nicht was Sie jetzt vielleicht denken. Es geht um etwas weniger Aufregendes, um Versicherungstarife, oder genauer: die Bestrebungen für eine wirksame Antidiskriminierungspolitik.

Unter "Unisex-Tarifen" versteht man einheitliche Tarife für Männer und Frauen. Im Rahmen des Alterseinkünftegesetzes, welches die zukünftige Rentenbesteuerung regelt, wurde in Deutschland eine Regelung aufgenommen, die solche Tarife für die so genannte Riester-Rente vorschreibt. Bislang wurden die Tarife für die Riester-Rente, also neben den Betriebsrenten eine der Säulen der kapitalgedeckten Altersvorsorge, nach versicherungsmathematischen Grundsätzen kalkuliert. Da Frauen eine längere Lebenserwartung besitzen, liegen die Prämienzahlungen für Frauen höher oder - was letztlich auf dasselbe herausläuft - ihre späteren Auszahlungsbeträge bei gleicher Prämienleistung niedriger. Diese versicherungsmathematisch völlig korrekte Berechnung rief nun die Antidiskriminierungslobby auf den Plan, die in dieser Prämiengestaltung eine Ungleichbehandlung der Frau erblickt.

Bemühungen, die Benachteiligung von Frauen zu beseitigen, sind zweifellos aller Ehren wert. Die versicherungsmathematische Kalkulation stellt jedoch einen ungeeigneten Ansatzpunkt diesbezüglicher Bestrebungen dar. Schlimmer noch: Jetzt wird eine vermeintliche gegen eine tatsächliche Diskriminierung eingetauscht, denn Unisex-Tarife bei der Riester-Rente diskriminieren nunmehr die Männer. Begründung: Bei korrekter versicherungsmathematischer Kalkulation müssen die Barwerte der Renten für Männer und Frauen gleich hoch sein. Da die Leistungen - in diesem Fall der Riester-Rente - für Frauen im Rentenalter einen längeren Zeitraum umfassen, müssen ihre Prämien höher sein. Andernfalls steigt der Barwert der Riester-Renten für Frauen im Vergleich zu dem der Männer. Deshalb diskriminieren Unisex-Tarife die Männer. Darauf macht auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem neuen Jahresgutachten aufmerksam, und zwar mit Zustimmung seines weiblichen Mitglieds, wohlgemerkt. Als Folge wird die Riester-Rente für Männer unattraktiver, nicht zuletzt weil diese die Leistungen für weibliche Rentenempfänger subventionieren müssen.

Unisex-Tarife sind vor dem Hintergrund einer überzogenen Antidiskriminierungspolitik zu sehen. Nach Vorstellungen der Bundesregierung, die über die Gleichstellungsrichtlinien der Europäischen Union hinaus gehen, sollen die Beweislast bei Diskriminierungen, unter anderem wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion, der Behinderung, des Alters oder des Geschlechts, umgekehrt und Verstöße gegen das Diskriminierungsverbot mit empfindlichen Strafen belegt werden. Unternehmen und Vermieter beispielsweise sollten sich künftig warm anziehen, denn sich auszumalen, was ihnen künftig ins Haus steht, fällt nicht schwer. Heerscharen von abgewiesenen Bewerberinnen um Arbeitsplätze und Wohnungen werden - gegebenenfalls mit einer Rechtsschutzversicherung im Rücken - gegen ihre vermeintliche Diskriminierung vor Gericht ziehen. Da die Beweislast bei den Beklagten liegt, die entsprechende Beweisführung alles andere als einfach zu führen ist, und obendrein erhebliche Geldstrafen zu befürchten sind, werden viele Unternehmen das Prozessrisiko scheuen und sich davon im Vorfeld mit Hilfe von Geldzahlungen an die Kläger freikaufen. Antidiskriminierung wird somit ebenso zu einem Abfindungshandel degenerieren, wie es beim hiesigen Kündigungsschutz bereits gang und gäbe ist, und zu einem Beschäftigungsprogramm für Rechtsanwälte und Arbeitsgerichte mutieren. Mehr noch, wenn die Kläger obsiegen, sehen sich Unternehmen und Vermieter dann möglicherweise mit unerwünschten Arbeitnehmern beziehungsweise Mietern konfrontiert. Ob das noch mit dem Grundgesetz vereinbar ist, bleibt dahingestellt.