ZEW-Präsident Franz zum Thema „Erbschaftsteuer“
StandpunktDer Beitrag findet sich in der aktuellen Ausgabe der ZEWnews Dezember 2005
Erbschaftssteuer
Mit Verwunderung ist in Teilen der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen worden, dass sich der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem neuesten Jahresgutachten gegen die Gesetzentwürfe zur Reform der Erbschaftsbesteuerung wendet. Wie passt dies zu der ansonsten mit Nachdruck eingeforderten Steuerentlastung der Unternehmen?
Zunächst muss klargestellt werden, dass sich der Sachverständigenrat sehr wohl für eine Reform der Erbschaftsteuer ausspricht. Er regt allerdings an, diese in eine allgemeine Reform der Unternehmensbesteuerung einzubetten. Dafür unterbreitet der Sachverständigenrat im Jahresgutachten ausführliche Vorschläge im Hinblick auf eine Duale Einkommensteuer, die Anfang nächsten Jahres in einer gesonderten Expertise des Rates weiter konkretisiert und präzisiert werden sollen. Die im Rahmen dieses Konzepts der Unternehmensbesteuerung anzustrebende steuerliche Gleichbehandlung aller Kapitalerträge und Kapitalanlageformen gilt genauso für die Erbschaftsbesteuerung, nämlich für die erbschaftssteuerliche Bewertung von Betriebsvermögen und Kapitalgesellschaftsanteilen. Natürlich könnte diese Gleichbehandlung auch bei einem Steuersatz von Null erfolgen, das heißt einem Verzicht auf eine Erbschaftsbesteuerung. Aber erstrebenswert oder gar erforderlich ist dies nicht, selbst nicht unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung von Unternehmen und Arbeitsplätzen.
Die bisherigen Gesetzentwürfe beinhalten eine Stundung der auf „produktiv“ eingesetztes Vermögen entfallenden Erbschaftsteuer über einen Zeitraum von zehn Jahren in der Form, dass bei einer Betriebsfortführung die Steuerschuld in zehn Jahresraten erlöschen soll. Bei Betriebsaufgabe oder Veräußerung innerhalb des Zehn-Jahres-Zeitraums nach Erbanfall sowie bei Zuführung des begünstigten „produktiven“ in „nicht-produktives“ Betriebsvermögen wird die Stundung der Erbschaftsteuerschuld abgebrochen.
Bereits derzeit gibt es die Möglichkeit, die auf Betriebsvermögen sowie auf land- und forstwirtschaftliches Vermögen entfallende Erbschaftsteuer auf Antrag bis zu zehn (!) Jahre zinslos (!) zu stunden, soweit dies zum Erhalt des Betriebs notwendig ist. Bei Existenzgefährdung des Betriebs besteht sogar ein Rechtsanspruch auf diese Stundung. Dem Vernehmen nach wird von diesen Stundungsmöglichkeiten allerdings kaum Gebrauch gemacht. Das sollte schon zu denken geben.
Die Unterscheidung in „produktives“ und „nicht-produktives“ Vermögen überzeugt ökonomisch nicht. „Unproduktives“ Vermögen etwa in Form von Wertpapieren, Anteilen an Kapitalgesellschaften oder Geldforderungen an Kreditinstitute kann sehr wohl zur Entstehung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen führen – zwar nicht in vererbten, wohl aber in den Unternehmen, in die (indirekt) investiert wurde. Und wieso soll ein Erbe von „unproduktivem“ Geldvermögen, der damit ein Unternehmen gründet und Arbeitsplätze schafft, steuerlich höher belastet werden als der Erbe eines Betriebes?
Selbst das Argument einer drohenden Standortverlagerung ins erbschaftsteuerfreundlichere Ausland hält einer Prüfung nur bedingt stand. Wie aus Untersuchungen des ZEW hervorgeht, liegt Deutschland bei der Erbschaftsteuerbelastung im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Außerdem kann der Erbe im Fall einer ungeplanten oder „zufälligen“ Erbschaft die im Inland anfallende Erbschaftsteuer durch spätere Produktionsverlagerung ins Ausland nicht vermeiden. Bei Vorausplanung einer Erbschaft lässt sich die deutsche Erbschaftsteuer nur umgehen, wenn der Erbanfall mehr als fünf Jahre nach der Abwanderung von Erblasser und Erben ins Ausland erfolgt, wobei bei der Verlagerung unter bestimmten Voraussetzungen eine Art Liquidationsbesteuerung (der stillen Reserven) greift.
Gewiss: Niemand zahlt gerne Steuern. Deshalb ist es verständlich, dass die Unternehmen die geplante Erbschaftsteuerreform begrüßen. Aber: Bestehen tatsächlich Spielräume für Steuersenkungen, die kaum zusätzliche Arbeitsplätze bringen?
Darauf wollte der Sachverständigenrat aufmerksam machen.