ZEW-Präsident Wolfgang Franz zum Thema "Kohle"
StandpunktDer "Kohlekompromiss" vom 7. Februar 2007 hinterlässt einen skeptischen Eindruck. Die "Eckpunkte einer kohlepolitischen Verständigung" stellen zwar in Aussicht, die subventionierte Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018 "sozialverträglich" zu beenden. Aber im Jahr 2012 – ein Jahr vor der übernächsten Bundestagswahl - soll der Deutsche Bundestag überprüfen, ob der Steinkohleabbau unter der Beachtung der Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit, der Sicherung der Energieversorgung sowie der "übrigen energiepolitischen Ziele" weiterhin Subventionen empfangen soll. Damit ist letztlich alles wieder offen und die Wahlkampfstrategen können sich an die Arbeit machen. Dann wird nämlich "politisch" entschieden.
Dabei handelt es sich um immense Summen. Jährlich belaufen sich die Subventionen für den Steinkohlebergbau auf rund 2,5 Milliarden Euro, das sind größenordnungsmäßig rund 70.000 Euro je Beschäftigten, also wesentlich mehr als das in diesem Wirtschaftszweig gezahlte Arbeitsentgelt und etwa das Zehnfache dessen, was in Deutschland jährlich je Schüler und Student staatlicherseits ausgegeben wird. Beweispflichtig für den volkswirtschaftlichen Nutzen von Subventionen sind immer ihre Befürworter. Diese Binsenweisheit spielte in der Diskussion der letzten Monate eine untergeordnete Rolle, wohl auch deshalb, weil die Argumente für eine Subventionierung der Steinkohleförderung alles andere als stichhaltig sind, worauf der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung bereits seit etwa einem Vierteljahrhundert aufmerksam macht und der "Kronberger Kreis" vor einem Jahr in einem umfangreichen Gutachten erneut hingewiesen hat. Weder aus der in den Eckpunkten genannten Perspektive der Wirtschaftlichkeit noch aus der einer sicheren Energieversorgung sind die Fördersubventionen zu rechtfertigen. Steinkohle ist auf den Weltmärkten zu weitaus niedrigeren Preisen, nämlich rund einem Drittel, im Vergleich zu den heimischen Förderkosten erhältlich. Daran wird sich wegen der geologischen Unterschiede zwischen den Fördergebieten in Deutschland und bei anderen Kohleproduzenten wenig ändern. Das vielfach beschworene Risiko von Lieferengpässen - mitunter werden regelrechte Kolossalgemälde eines drohenden Niedergangs der heimischen Industrie angefertigt - kann nicht überzeugen, weil Importkohle aus einer Vielzahl von Ländern erhältlich ist. Überdies kann eine strategische Reserve aus Importkohle aufgebaut werden, deren Kosten deutlich geringer als die gegenwärtigen Subventionen wären. Unverständlich ist vor diesem Hintergrund der von Seiten der Politik propagierte Erhalt eines "Sockelbergbaus". Welche Funktion sollte er angesichts seiner geringen Bedeutung haben? Als Rechtfertigung für Subventionen wird des Weiteren vorgetragen, heimische Bergwerke seien zur Entwicklung, Erprobung und Vorführung von Bergbautechnik erforderlich, die dann erfolgreich in andere Länder exportiert werde. Das mag zutreffen, aber dann sollten die exportierenden Unternehmen den nötigen Bergbaubetrieb finanzieren. Wenn dadurch die Kosten in einem unwirtschaftlichen Umfang ansteigen, dann lohnen sich die Produktion und der Export gesamtwirtschaftlich ebenfalls nicht. Wie könnte es anders sein, zur Verteidigung der Subventionen muss schließlich das Arbeitsplatzargument herhalten. Damit lassen sich praktisch alle Subventionen verteidigen, wobei beim Steinkohlebergbau das Missverhältnis zwischen Beschäftigungseffekt und, wie oben dargestellt, Subventionsvolumen besonders krass ist. Da der Steinkohlebergbau außerdem die hervorragende Ausbildung seiner Bergleute rühmt, dürften eine Reihe dieser Fachkräfte leicht in andere Wirtschaftszweige wechseln, wo sie dringend benötigt werden. Verbleiben dem Deutschen Bundestag im Jahr 2012 mithin nur noch die "übrigen energiepolitischen Ziele", falls er die Subventionszahlungen gleichwohl verlängern will. Keine Sorge: Da wird sich schon etwas Passendes finden.