ZEW-SAP-Kongress für innovative Zukunftspolitik – Deutschland hat Handlungsbedarf
VeranstaltungenDie Digitalisierung hält Einzug in die deutsche Wirtschaft und ringt dem Standort Deutschland Veränderung ab – ob Unternehmen und Politik hierzulande wollen oder nicht. Die kritischen Punkte dabei sind: Wie nachhaltig ist der gegenwärtige wirtschaftliche Erfolg der Bundesrepublik und was trägt das Wachstum von morgen? Der "Kongress für innovative Zukunftspolitik – Digitale Aufholjagd für Deutschland?", den das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am 19. Februar 2016 gemeinsam mit der SAP Deutschland SE in der Berliner Vertretung des Landes Baden-Württemberg ausrichtete, widmete sich den Antworten auf diese Fragen – und identifizierte, was dafür getan werden muss.
Die deutsche Konjunktur brummt derzeit, so weit, so gut. Doch um dauerhaft international wettbewerbsfähig zu sein, sind Investitionen in Innovationen und die Gründungen innovativer Unternehmen gefragt. Das machte ZEW-Präsident Prof. Dr. Clemens Fuest zum Auftakt des Kongresses bei seiner Vorstellung der Studie "Innovationspolitik in Deutschland – Maßnahmen für mehr Innovationen im Zeitalter der Digitalisierung" deutlich, die das ZEW im Auftrag der SAP erstellt hat.
"Digitalisierung ist vieldimensional", erklärte Fuest und umriss damit das Ausmaß der Herausforderungen, die der technologische Wandel mit sich bringt. "Deutschland hat einen starken industriellen Mittelstand", so der ZEW-Präsident, "aber unser unternehmerisches Potenzial ist in den vergangenen zehn Jahren um 25 Prozent gesunken." Das zeige sich vor allem an der kontinuierlich sinkenden Zahl der Unternehmensgründungen.
"Digitalisierung ist disruptiv, nicht evolutionär"
"Digitalisierung heißt auch lebenslanges Lernen und mit Veränderung leben lernen", erläuterte Fuest und machte das anhand von fünf Bereichen fest, in denen die ZEW-Studie Handlungsbedarf definiert: bei der Datensicherheit, der Wagnisfinanzierung, den steuerlichen Rahmenbedingungen, bei E-Government und in der Aus- und Weiterbildung für die Digitalisierung, sprich bei Fachkräften. Vor allem in Sachen Wagniskapitalinvestitionen und E-Government sei Deutschland noch im Verzug: "Im öffentlichen Sektor bewegen wir uns in der digitalen Kreidezeit." Immerhin gebe es eine gute Nachricht: "Die Zahl der Studierenden in den MINT-Fächern wächst", sagte Fuest. Die Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder habe sich also gelohnt.
Auch Prof. Dr. Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, gab in ihrem Vortrag zu bedenken, dass Deutschland momentan eine wirtschaftlich gute Position einnimmt, die aber keineswegs sicher für die Zukunft sei. "Digitalisierung ist disruptiv, nicht evolutionär", sagte Wanka, "ohne Veränderungsbereitschaft kann es keine Weiterentwicklung geben." Mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit bedeute das: "Wir brauchen eine Digitalisierungsstrategie, die für unsere Situation passt." Der Pauschaleinschätzung, Deutschland habe den digitalen Wandel verschlafen, begegnete die Politikerin wiederum mit fünf Punkten, die ihrer Ansicht nach dringend in Angriff genommen werden müssen.
"Ziel der Steuerpolitik für Innovationsförderung sollte Harmonisierung sein"
Die traditionelle Stärke Deutschlands in der industriellen Fertigung solle ausgebaut werden, wobei Industrie 4.0 eine vielversprechende Chance sei. Zudem brauche es mehr innovative Geschäftsmodelle und mehr speziell ausgebildete Fachkräfte. Schließlich müsse auch die Basis für das hiesige Innovationsgeschehen erweitert werden, mit anderen Worten: auf die wachsende Innovationskraft kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) komme es an.
Während die ZEW-Studie hervorhebt, dass die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung Innovationen und Start-ups beflügeln könnte, betonte auch Luka Mucic: "Vorrangiges Ziel der Steuerpolitik für Innovationsförderung sollte Harmonisierung sein." Der SAP-Finanzvorstand und stellvertretende Vorsitzende des ZEW-Förderkreises debattierte am Nachmittag bei einer Podiumsdiskussion zum Thema "Land der Ideen? Innovationsförderung im Standortwettbewerb" mit. Vor allem mit Blick auf KMU, könne der Einstieg über eine maßvolle Steuergutschrift realisiert werden. "Dann sehen wir, ob das positive Effekte hat." Abgesehen von der Steuerförderung, stellten allerdings Bildung, Deregulierung und Infrastruktur ebenso essenzielle Themen rund um die Digitalisierung dar.