Macht in der digitalen Ökonomie – wettbewerbspolitisches Neuland
StandpunktSeit Anfang März 2016 ermittelt das Bundeskartellamt gegen einen der Großen der digitalen Ökonomie wegen des Verdachts auf Marktmachtmissbrauch: Facebook. Bereits seit Ende 2010 untersucht die Europäische Kommission Wettbewerbsbeschränkungen durch Google. Wird nun also den großen Internetunternehmen Einhalt geboten? Ist die Wettbewerbspolitik überhaupt in der Lage, mit der wachsenden Marktmacht großer Unternehmen in der digitalen Ökonomie angemessen umzugehen?
Ein Charakteristikum der Internetwirtschaft ist ihre hohe Dynamik. Facebook und Google sind noch keine 20 Jahre alt, und doch ist ihr Unternehmenswert schon jetzt größer als der der meisten deutschen Industrieunternehmen. Die Gründungsrate ist in der IKT-Branche weit überdurchschnittlich. Ineffiziente Unternehmen haben es schwerer, sich am Markt zu behaupten. Innovationsprozesse laufen schneller ab.
Wachstumsmarkt Big Data
Ein weiteres Merkmal der Internetwirtschaft sind die enormen Datenmengen, kurz Big Data. Mit Wachstumsraten von mehr als 50 Prozent sind Big Data-Anwendungen einer der stärksten Wachstumsmärkte überhaupt. Big Data und die Technologien dahinter ermöglichen es, Produkte und Werbung kundenspezifisch zuzuschneiden. Basis dieser Individualisierung sind die persönlichen Daten, die der Nutzer etwa durch Suchanfragen oder den Konsum von Inhalten indirekt zur Verfügung stellt. Während in vielen Fällen das Mehr an Information hilfreich sein kann, treten manchmal aber auch neue Probleme auf. So lassen sich durch bessere Informationen zwar Risiken genauer einschätzen, dies kann aber dazu führen, dass zum Beispiel Personen mit hohen Risiken höhere Versicherungsprämien zahlen müssen als andere oder gar keine Versicherung mehr für sich finden.
Das dritte Charakteristikum der digitalen Wirtschaft sind zwei- oder mehrseitige Märkte und die damit in Verbindung stehenden Netzwerkeffekte. Google etwa ist ein solcher mehrseitiger Markt, da neben den Nutzern der Suchmaschine auch Werbetreibende die Plattform verwenden. Bei mehrseitigen Märkten sind Nullpreise für eine Marktseite keine Seltenheit. Die Gewinne werden mit den anderen Marktseiten erwirtschaftet. Netzwerkeffekte treten etwa bei sozialen Netzwerken wie Facebook auf, bei denen sich der Mehrwert für den Einzelnen durch die Anzahl der beteiligten Personen erhöht. Viele dieser Plattformmärkte weisen eine Tendenz zur Konzentration auf, sodass sich oftmals ein dominanter Anbieter herausbildet. In einer solchen "Winner-takes-all"-Umgebung ist Marktmacht typisch, ihr Missbrauch allerdings schwer zu identifizieren.
Marktgrenzen verschieben sich
Die Kartellbehörden müssen alle diese Besonderheiten bei ihren Ermittlungen gegen die Internetkonzerne berücksichtigen. Die hohe Dynamik der IKT-Branche erfordert schnellere Reaktionszeiten. Marktgrenzen verschieben sich, sodass in den Verfahren der relevante Markt nicht unbedingt mit historischen Daten abgegrenzt werden kann. Daten werden zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor, der zu berücksichtigen ist. So wird in einer datenbasierten Ökonomie der fehlende Zugang zu Daten zu einer potenziellen Markteintrittsbarriere. Ein Missbrauch von Marktmacht hinsichtlich der Datenbeschaffung wird vorstellbar. Mehrseitige Märkte schließlich stellen die Behörden vor die Herausforderung, die verschiedenen Seiten einer Plattform adäquat abzugrenzen. Während etwa der hohe Marktanteil Googles als Suchmaschine relativ leicht feststellbar ist, stellt sich die Abgrenzung auf der Werbeseite deutlich schwieriger dar.
Das Bundeskartellamt wie auch die EU Kommission werden sich mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen. Die Bestimmung der relevanten Märkte, der Nachweis des möglichen Missbrauchs von Marktmacht sowie die Konzeption von Sanktionen erfordern neue Konzepte und Maßstäbe. Hier wird wettbewerbspolitisches Neuland betreten.