Wie effizient ist die Vergabe von Studienplätzen in Deutschland? - "Hochschulen müssen Anreize erhalten, ihre Studienplätze zentral zu vergeben"
NachgefragtDer Andrang ist groß, die Hörsäle sind überfüllt, aber gleichzeitig sind 2015 viele Studienplätze an deutschen Hochschulen frei geblieben. Der Weg zum attraktiven Studienplatz gestaltet sich für viele Bewerber/innen deshalb als schwierig. Dr. Vitali Gretschko, Leiter der ZEW-Forschungsgruppe "Marktdesign", äußert sich dazu, wie die Studienplatzvergabe in Deutschland individuell angepasster und zugleich systematischer gestaltet werden könne.
Was genau ist das Problem bei der Vergabe von Studienplätzen für Fächer mit örtlicher Zulassungsbeschränkung?
Viele Hochschulen nehmen nicht an der zentralen Vergabe durch das sogenannte „Dialogorientierte Serviceverfahren“ teil, sondern wählen ihre Bewerber/innen nach wie vor in örtlichen Verfahren aus. Dies verzögert die Zuteilung der Studienplätze und sorgt dafür, dass viele Bewerber/innen nicht ihren bevorzugten Platz erhalten, obwohl sie ihn in einem koordinierten Verfahren erhielten. Gleichzeitig müssen sich Studieninteressierte aufgrund der örtlichen Zulassungsverfahren bei vielen Hochschulen parallel bewerben. Dabei können sie nicht angeben, welche der Hochschulen sie besonders attraktiv finden und welche weniger. Dieser Umstand und die Tatsache, dass die Vergabe vorrangig nach Noten erfolgt, sorgt dafür, dass einige Bewerber/innen zunächst mehrere Studienplatzangebote erhalten und andere keine. Im besten Fall nehmen Bewerber/innen, die ihren Erstwunsch erhalten haben, das Angebot zügig an und geben andere Plätze für mögliche Nachrücker/innen wieder frei. Bewerber/innen, die nicht ihren Erstwunsch erhalten haben, wissen nicht, ob sie das bestehende Angebot annehmen sollten oder ein besseres erhalten werden. Dies führt zu Verzögerungen und dazu, dass manche Bewerber/innen unnötig schlechte Angebote annehmen. Umgekehrt bleiben an Hochschulen eigentlich gefragte Studienplätze frei. Daher haben Hochschulen den Anreiz, einzelne Studienfächer massiv zu überbuchen und unnötige Planungsrisiken aufzunehmen.
Warum wäre es vorteilhaft wenn alle Hochschulen an der zentralen Vergabe teilnehmen würden?
Der entscheidende Vorteil eines zentralen Vergabeverfahrens ist, dass sowohl Verzögerungen als auch Überbuchungen ausgeschlossen werden können. Dazu geben Studieninteressierte eine geordnete Liste ihrer Studienplatzwünsche ab und die zentrale Vergabe, führt anhand eines Algorithmus, das heißt anhand einer exakt vorgegebenen Vorgehensweise, und ohne Verzögerung zum bestmöglichen Ergebnis für die Bewerber/innen.
Können Sich die Studenten/innen darauf verlassen, dass der Algorithmus zu dem für sie bestmöglichen Ergebnis führt?
Das „Dialogorientierte Serviceverfahren“ kann im gegebenen Rahmen Bewerbern/-innen praktisch immer den für sie bestmöglichen Studienplatz zuteilen, wenn die Studienplatzwünsche wahrheitsgemäß angeben werden. Dies hat den großen Vorteil, dass kein Studieninteressierter den Algorithmus durch ein strategisches Vorgehen austricksen kann und die eigene Position zu Lasten anderer Bewerber/innen verbessert.
Und wie sähe ein verbessertes Vergabesystem aus?
Das „Dialogorientierte Serviceverfahren“ vergrößert einerseits die Chance der Bewerber/innen, einen Studienplatz an ihrer Wunschhochschule zu erhalten und lässt andererseits Hochschulen die Freiheit individuelle Kriterien bei der Auswahl ihrer Studenten/-innen anzuwenden. Es ist deshalb grundsätzlich wünschenswert, dass mehr Hochschulen am Verfahren teilnehmen. Aus dieser Sicht ist es ungünstig, dass im nachgelagerten Losverfahren zur Restplatzvergabe auch Hochschulen teilnehmen können, die im Hauptverfahren nicht teilgenommen haben, da der Teilnahmeanreiz am Verfahren reduziert wird. Aus der Sicht der Bewerber/innen ist es als ungünstig zu bewerten, dass sie Angebote bereits während der ersten Koordinierungsphase annehmen können. Dies kann dazu führen, dass gering informierte Studieninteressierte ein relativ schlechtes Angebot annehmen. Zudem stellt sich die Frage, warum bei der Vergabe zwischen Studiengängen mit örtlicher Zulassungsbeschränkung und den Studiengängen Medizin, Tiermedizin, Zahnmedizin und Pharmazie unterschieden wird. In den letztgenannten Studiengängen wird bereits seit vielen Jahren ein zentrales Vergabeverfahren angewendet, das sich vom Dialogorientierte Serviceverfahren unterscheidet. Im dabei verwendeten Algorithmus ist es für Bewerber/innen nicht optimal ist, ihre Wünsche wahrheitsgemäß anzugeben. Dies verleitet eher zu strategischem Verhalten und sorgt für Unsicherheit und Ineffizienzen.