Richtige Wortwahl bei der wirtschaftspolitischen Beratung
StandpunktDer Beitrag ist in der März-Ausgabe der ZEWnews erschienen.
Wie leicht ein Wissenschaftler auf dem Parkett der wirtschaftspolitischen Beratung ausrutschen kann, musste dem Vernehmen nach unlängst Gregory Mankiw, Chefökonom des Präsidenten der Vereinigten Staaten, bitter erfahren. Nach Presseberichten hatte Mankiw darauf aufmerksam gemacht, dass die Abwanderung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer den heimischen Verbrauchern nütze. Daraufhin gingen die Wogen im Vorfeld des amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes hoch. Mankiw musste sich entschuldigen.
Für sich genommen ist die Aussage Mankiws unbestritten, jedoch unterließ es der Unglücksrabe, sie unmittelbar in einen beschäftigungspolitischen Kontext zu stellen. Mankiw müsste eigentlich bekannt sein, wie gern die Medien selbst aus einem zusammenhängenden Text einen einzigen, ihrer Ansicht nach griffigen Satz zitieren, womit dann häufig Fehlschlüsse verbunden sein können. Wie also hätte die Bemerkung tunlichst formuliert werden müssen?
Zur Beantwortung dieser Frage sind einige Vorüberlegungen erforderlich. Zunächst: Der internationale Handel bringt insgesamt betrachtet für die beteiligten Länder erhebliche Vorteile mit sich, unbeschadet der Tatsache, dass es in diesem Zusammenhang auch und zunächst Verlierer geben kann. Wenn sich die einzelnen Länder auf die Produktion der Güter spezialisieren, bei denen sie im Vergleich zu den anderen Ländern absolute oder komparative Kostenvorteile aufweisen, und anschließend Handel miteinander treiben, dann geht dies mit einem geringeren Preisniveau und mit einer höheren Güterversorgung im Vergleich zu einer Situation ohne internationalen Handel einher. Sodann: Im Zuge der Ausweitung des internationalen Handels entstehen in den von der internationalen Spezialisierung bevorzugten Branchen eines Landes neue Arbeitsplätze, während in demselben Land auch Arbeitsplätze in den Sektoren verloren gehen, die der Spezialisierung zum Opfer fallen. Die Herausforderung für einen Wirtschaftsstandort besteht darin, diesen sektoralen Strukturwandel zu bewältigen. Des Weiteren: In Deutschland sind davon vornehmlich, aber beileibe nicht ausschließlich gering qualifizierte Arbeitnehmer betroffen. Was sie herstellen könnten, wird anderswo zu einem Bruchteil der hiesigen Kosten (Löhne, Steuern, etc.) produziert. Mit diesen Schwierigkeiten steht Deutschland nicht allein, gering qualifizierte Arbeitskräfte gibt es überall. Aber andere Länder haben sich dieses Problems erfolgreicher bemächtigt. Schließlich: Diese Überlegungen gelten vordergründig nur für handelbare Güter und Dienstleistungen, aber niemand sollte sich in Sicherheit wiegen, weil seine Produkte nicht transportfähig sind. Dann wandern eben die Arbeitskräfte, wovon unter anderem die Bauindustrie hierzulande Zeugnis ablegen kann, und/oder die Konsumenten, wovon die Friseure in Frankfurt an der Oder ein Lied singen können.
Vor diesem Hintergrund hätte die obige Aussage also in etwa lauten müssen: „Es kommt darauf an, die immensen Vorteile des internationalen Handels für die Verbraucher zu vergrößern und gleichzeitig für Beschäftigungsmöglichkeiten der Arbeitsplatzverlierer soweit wie möglich Sorge zu tragen.“ Sicherlich provoziert dies die nächste Frage, nämlich wie eine solche Strategie aussehen könnte. Protektionismus wäre auf jeden Fall die falsche Antwort, bestenfalls kann man sich mit Hilfe von Anpassungsfristen – wie beispielsweise im Rahmen der Freizügigkeitsregelungen für Arbeitskräfte aus den Beitrittsländern zur Europäischen Union – etwas Zeit kaufen, um die notwendigen Anpassungsmaßnahmen im Hinblick auf eine berufliche und regionale Mobilität und eine beschäftigungsfreundliche Lohn(struktur)-politik zu unterstützen. Eine breit angelegte berufliche Qualifikation stellt immer noch die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit dar. So bitter es aber auch sein mag: Nicht wirklich jeder, der seinen Arbeitsplatz verliert, wird wieder einen erhalten. Hier ist dann die Sozialpolitik gefordert.