Vierte Jahrestagung des Internationalen Konsortiums für China-Studien
Termine und NachrichtenAm 20. und 21. Juni 2017 veranstaltete der ZEW-Forschungsbereich „Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik“ gemeinsam mit der National School of Development (NSD) der Peking University (PKU) die vierte Jahrestagung des Internationalen Konsortiums für China-Studien (International Consortium for China Studies, ICCS) zum Thema „Perspektiven zur Entwicklung Chinas und der Offenheit globaler Märkte – Eine Verknüpfung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Fragestellungen“. Im Rahmen der zweitägigen Veranstaltung präsentierten 25 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Mannheim ihre aktuellen Forschungsergebnisse, unter anderem zur sich verändernden Rolle Chinas in Hinsicht auf den internationalen Handel, technologische Innovationen und das globale Wirtschaftswachstum.
Das Programm am ersten Tag konzentrierte sich auf China und die Weltwirtschaft, den internationalen Handel und technologische Innovationen ebenso wie die Urbanisierung und die Entwicklung ländlicher Gebiete. In der ersten Session diskutierte Kellee Tsai, Professorin für Sozialwissenschaft an der Hong Kong University of Science and Technology, die entscheidende Rolle der Diaspora – also Gemeinschaften fernab ihrer jeweiligen Heimat – für die chinesische Wirtschaft. Sie zeigte auf, dass Indien hier hinter China liegt, da indische Auswanderer weniger Gebrauch von Direktinvestitionen im Ausland (FDI) machen und hauptsächlich ihre Familie durch Überweisungen finanziell unterstützen. Lina Song, Professorin für Ökonomie, Soziologie und China-Studien an der Nottingham University Business School, präsentierte experimentelle Ergebnisse zu Aufrichtigkeit und Korruption. Im Anschluss erläuterte Miaojie Yu, Professor am China Centre for Economic Research an der PKU, die sich wandelnde Rolle Chinas im internationalen Handel und beurteilte die Belastung von erheblichen Einfuhrabgaben der USA als Mittel gegen chinesische und andere ausländische Exporte. Er verdeutlichte, dass die Auswirkungen stark davon abhängen, ob China und die anderen Länder dies mit der Einführung auf Einfuhrabgaben auf US-Exporte vergelten würden. Dies hätte für China und einige EU-Mitgliedstaaten dramatische Folgen, aber eine Einfuhrsteuer würde auch das Bruttoinlandsprodukt der USA deutlich senken. Als nächstes präsentierte Wei Tian von der University of International Business and Economics (UIBE) in Peking den Zusammenhang zwischen ausländischen Direktinvestitionen (FDI) und Produktivitätsheterogenität. In China – wie auch in anderen Ländern – sind es vor allem hochproduktive Firmen, die FDI nutzen. Am Nachmittag präsentierten Xiaobo Zhang, Professor für Ökonomie an der PKU, und ZEW-Wissenschaftler Dr. Philipp Boeing neue Forschungsergebnisse zu Chinas technologischer Ausstattung und Innovationskraft. Beide vorgestellten Papiere bekräftigten, dass sich China rasch zu einer innovativen Supermacht entwickeln wird. Allerdings betonte Philipp Boeing, dass der Anstieg deutlich weniger steil ist, wenn man die qualitativen Aspekte miteinbezieht. Zusätzlich zeigte Mengbo Zhang von der University of California in Los Angeles (UCLA), dass der Versuch, den Wettbewerb im Bankensektor durch die Gründung neuer, regionaler Banken, nur teilweise erfolgreich war, da die neuen Banken bevorzugt Geld an staatliche Unternehmen und Versorgungsbetriebe verleihen. Der erste Tag endete mit einer Präsentation von Christine Wong, Professorin für China-Studien am Centre for Contemporary Chinese Studies der University of Melbourne, und Warren Lu von der Hong Kong University of Science and Technology. Sie stellten ihre Arbeiten zu Chinas Luftverschmutzung und institutionellen Hemmnissen in der Entwicklung von Städten der eher unbeachteten zweiten Entwicklungsebene vor. Der laufende chinesische Kampf gegen die Luftverschmutzung habe durchaus geholfen, die Belastung einzudämmen. Allerdings dämpften Diskrepanzen zwischen kurzfristigem Wachstum, wirtschaftlicher Stabilität und umweltpolitischen Zielen die Erfolgsquoten. Zudem merkte Warren Lu an, dass es in China aufgrund der bestehenden strukturellen Unterschiede der Regionen deutlich schwieriger erscheine, erfolgreiche Stadtentwicklungspläne zu erstellen.
Internationale Forschende präsentieren neue Ergebnisse zu Chinas Handel, Produktivität und Innovationskraft
Chinas Arbeitskraft, soziale Instabilität und wirtschaftliches Wachstum sowie Chinas Projekt zur „Neuen Seidenstraße“ waren im Fokus des zweiten Veranstaltungstags. In der ersten Session präsentierte John Knight, Professor für Ökonomie an der University of Oxford, neue Erkenntnisse zu fairer und unfairer Ungleichheit in China und betonte, dass ungleiche Machtverhältnisse, wie sie in China beobachtet werden können, Einkommensungleichheit hervorrufe. Dies würde von der Bevölkerung schnell als unfair wahrgenommen. Tony Fang, Inhaber des Lehrstuhls für kulturelle und ökonomische Transformation an der Memorial University of Newfoundland in Kanada, untersuchte die Vorgehensweise von eingewanderten Arbeitern/-innen bei der Jobsuche. Um den Zugang der Landbevölkerung zu Beschäftigung in städtischen Gebieten zu erhöhen, plädierte er für mehr formale Vorgehensweisen wie beispielsweise ein Arbeitsaustausch oder gezielte ländliche Rekrutierungsmaßnahmen. Den Einfluss von IKT-Technologien auf das wirtschaftliche Wachstum untersuchte Yuezhou Cai von der Chinese Academy of Social Science (CASS) in Pekingund stellte fest, dass China weiterhin Nachholbedarf beim Ausbau seiner IKT-Infrastruktur hat. Yawei Liu, Direktor des China-Programms am Carter Center in Atlanta, und Yuan Li, Professor für wirtschaftswissenschaftliche Ost-Asien-Studien an der Universität Duisburg-Essen, betonten die Chancen und Herausforderungen, die von Staatsinvestitionen in das Verkehrsnetz ausgehen. Yawei Liu warnte vor Überinvestitionen in die Infrastruktur, die dazu führen könnten, dass Chinas Wachstumspfad sich verschlechtert und das Land nicht in der Lage wäre, in voller Höhe von seinen Investitionen zu profitieren. Yuan Li zeigte, inwiefern durchaus auch Länder wie Deutschland von dem Projekt einer „Neuen Seidenstraße“ profitieren können.
Während der beiden Veranstaltungstage hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gelegenheit, an 16 Präsentationen von international führenden China-Forschenden teilzuhaben. Die Jahrestagung bot den Forschenden die Möglichkeit, sich intensiv über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Chinaforschung auszutauschen. Der Fokus lag auf sozialwissenschaftlichen Forschungsfragen unter Berücksichtigung politischer, ökonomischer und sozialer Zusammenhänge. Die ICCS ist eine internationale Plattform von derzeit 24 ausgewählten Forschungseinrichtungen, die sich mit Chinas wirtschaftlicher Entwicklung beschäftigen. Das ZEW wurde im November 2015 in Anerkennung seiner vielfältigen Forschungsprojekte zur chinesischen Wirtschaft und der engen Vernetzung in der Wissenschaftsgemeinschaft offiziell zum Mitgliedsinstitut des ICCS ernannt.Die ICCS-Jahrestagung findet abwechselnd in China und anderen Ländern statt und fördert den Austausch sowie die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsinstituten. Im nächsten Jahr wird die Tagung von der Hong Kong University of Science and Technology veranstaltet, die folgende, sechste ICCS-Jahrestagung wird im Jahr 2019 das Georgia Institute of Technology in Atlanta beherbergen.