Versorgungssicherheit ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Energiewende

Veranstaltungsreihen

RWE-Vorstandsvorsitzender Dr. Rolf Martin Schmitz bei seinem Vortrag am ZEW zu Stand und Herausforderungen der Energiewende.

Die Energiebranche befindet sich im Wandel. Eine Öffnung der Märkte, der Energiemix und Umlagen haben in den vergangenen Jahren den kompletten Wirtschaftszweig in Bewegung gebracht. Energieversorger brechen alte Muster auf und müssen den Balanceakt zwischen Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit beherrschen. Inwieweit ist diese Entwicklung mit nationalen und europäischen Klimazielen vereinbar? Wie steht es um die Energiewende in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft? Und mit welchen Herausforderungen muss sich die Branche befassen? Zu diesen Fragen äußerte sich Dr. Rolf Martin Schmitz, Vorstandsvorsitzender des Energieversorgungskonzerns RWE, am 20. Februar 2018 im Zuge der Veranstaltungsreihe "Wirtschaftspolitik aus erster Hand" am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.

Der Energiewandel hat Spuren bei RWE hinterlassen. Mit einem relativ späten Ausstieg aus der Atomenergie und der Förderung erneuerbarer Energien hat der Energieriese im Jahr 2016 mit der Aufspaltung des Unternehmens eine Kehrtwende hingelegt. „Die Energiebranche muss sich neu aufstellen, auch RWE musste sich anpassen“, eröffnete Rolf Schmitz seinen Vortrag mit dem Titel „Energiewende – Quo vadis?“. Stichworte wie Kernenergieausstieg, Sicherheitsbereitschaft bei der Braunkohle oder Kapazitätsverluste im Ausland prägten die Neuaufstellung des Erzeugungsbereiches bei RWE. Durch die Beibehaltung der konventionellen Energieerzeugung und dem Energiehandelsgeschäft beim Mutterkonzern sowie der Bündelung der Sparten Erneuerbare Energien, Netze und Vertrieb bei der Tochter Innogy habe sich das Unternehmen fit für die Zukunft gemacht. Das zahlt sich Schmitz zufolge nun aus: Aktuell fließen in die Tochtergesellschaft rund zwei Milliarden Euro für Wachstumsinvestitionen, RWE profitiert mit 2,7 Milliarden Euro.

Um einen erfolgreichen Kurs bei der Energiewende auch auf nationaler Ebene beizubehalten, müssen sich laut Schmitz Wirtschaft und Wissenschaft mit Expertise in die politische Diskussion einbringen. Nur so könne man sachlich und agendaneutral sinnvolle Lösungen für den Kernenergie- und Kohleausstieg erarbeiten. Versorgungssicherheit sei dabei der Schlüssel – sowohl für die Politik als auch für Unternehmen. „Die Versorgungssicherheit hat als Geschäftsfeld gute Perspektiven. Denn für alle Bereiche unserer Gesellschaft ist Strom elementar“, erläuterte Schmitz vor rund 130 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Dafür brauche es allerdings Back-up-Kapazitäten, Reservekraftwerke für eine „Dunkelflaute“, also für Zeiten, in denen weder Solar- noch Windstrom zur Verfügung stehen. Das System müsse in den kommenden Jahren schrumpfende gesicherte Energiekapazitäten aushalten.

Mehr Flexibilität im Energiemix ist gefragt

„Wir verstehen uns als Infrastrukturdienstleister der gesamten Gesellschaft, auch über nationale Grenzen hinweg“, so Schmitz. Eine sichere Versorgung mit Energie in Zukunft könnten Europas Nationalstaaten nicht autark garantieren, sondern nur in Kooperation mit ihren Nachbarländern. Erst bei einer gesicherten Leistung könne man auch auf politischer Ebene über eine schrittweise Abschaltung der Kernenergiekraftwerke nachdenken. Dahingehend zeigte sich Schmitz zufrieden, dass es gegenwärtig nach einer Neuauflage der Großen Koalition aussehe.

Politisch wären zudem angepasste Ziele nötig. „Veränderte Rahmenbedingungen haben es unmöglich gemacht, die Klimaschutzziele für 2020 zu erreichen. Wir brauchen künftig mehr Flexibilität“, erklärte Schmitz. Als Gründe nannte er unter anderem eine stark gestiegene Versorgungssicherheit, ein dazwischen beschlossener Kernenergieausstieg und hohe Stromexporte ins Ausland. Dennoch sei das 80-Prozent-Klimaziel insgesamt erreichbar, denn es erfordere geringere Mehrinvestitionen als eine 95-prozentige Treibhausgas-Reduktion. Diese hingegen wäre nicht realistisch – und nur dann vorstellbar, wenn es global in allen wichtigen Wirtschaftsräumen vergleichbare Klimaschutzanstrengungen gäbe. Der RWE-Chef plädierte dafür, am Ausstiegsplan festzuhalten, denn „der Emissionshandel zeichnet den Pfad vor, auf dem sich ein Strukturwandel ohne Brüche gestalten lässt.“ Anhänger nationaler Insellösungen würden sich etwas vormachen. Laut Schmitz werde RWE seine CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 40 bis 50 Prozent reduzieren. Eine Doppelregulierung, etwa durch einen CO2-Mindestpreis, würde das System beschädigen und unwirksam bleiben.

Neue Speichertechnologien lösen Kohle als Energieträger nach und nach ab

Für ihn müsse ein schrittweiser Kohleausstieg, ohne einen zeitgleichen Kernenergieausstieg, Priorität haben. „Im künftigen Erzeugungsmix wird es keine Kohle mehr geben. Gas, Biomasse und neue Speichertechnologen werden Kohle künftig ablösen“, so Schmitz. Unternehmen würden sich umorientieren und schon jetzt neue Technologien einsetzen. Dabei verdeutlichte er das enorme Potenzial disruptiver Innovationen, so unter anderem von Technologiedurchbrüchen in der Wasserstoff-Wirtschaft. Um solche Innovationen voranzutreiben, bräuchten Unternehmen aber eine technologieoffene Forschung und Unterstützung durch die Politik.

Der anschließende Austausch mit ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD und dem Publikum verdeutlichte, wie kontrovers die energie- und klimapolitische Diskussion ist. Ist ein Mindestpreis für CO2-Emissionen als gemeinsame Verpflichtung der europäischen Staatengemeinschaft nicht essenziell für die Klimapolitik? Welche „Energieform“ sichert die Versorgung in Zukunft? Versteht sich die Versorgungssicherheit nicht als supranationale, europäische Aufgabe? Brauchen wir in Zukunft einen Kapazitätsmarkt, damit die Stromversorgung weiter sicher bleibt? Und wie hoch ist das regenerative Potenzial in Deutschland? Diese und weitere Fragen zeigen, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema  Energiewende neben der Politik auch in Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft stattfinden muss.

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