Digitalisierung in Deutschland – Was das Silicon Valley als innovatives Epizentrum lehrt

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Bei der Podiumsdiskussion (v.l.): ZEW-Präsident Achim Wambach, Moderatorin Silke Wettach, Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und Unternehmer Georg Müller.

Ein Landstrich im US-Bundesstaat Kalifornien zwischen den Städten San Francisco und San José gibt weltweit den Takt für den digitalen Wandel vor: Im sogenannten Silicon Valley sitzen die führenden Technologieunternehmen und Start-ups dieser Erde, konzentriert sich ein Viertel des globalen Risikokapitals. Für den Standort Deutschland stellt sich daher die Frage: Was lernen wir daraus und wie setzen wir dieses Wissen und bereits vorhandene Kompetenzen ein, um bei der Aufholjagd 4.0 nicht (noch weiter) ins Hintertreffen zu geraten? Um neue Wege und digitale Lösungen für hiesige Unternehmen und Betriebe ging es bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, und des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg in der Baden-Württembergischen (BW) Bank in Stuttgart.

Den rund 130 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft am 16. April 2018 in der BW Bank wurde schnell klar, dass es nicht die eine einfache Lösung für eine „Aufholjagd zum Silicon Valley“ geben wird, wie der Titel der Veranstaltung plakatierte. ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD erläuterte in seinem Fachvortrag zum Thema „Digitale Marktwirtschaft – Herausforderungen und Perspektiven“, dass die Digitalisierung zu einem Strukturwandel führt, in dessen Verlauf bestehende Märkte durch innovative Markteintreter aufgemischt werden. „Die Dynamik der Entwicklung ist rasant“, so Wambach.

Um Schritt zu halten und zur internationalen Spitzengruppe aufzuschließen, sei es für die Bundesrepublik insgesamt und ebenso den Standort Baden-Württemberg zentral, drei Aufgaben in Angriff zu nehmen: den Breitbandausbau, E-Government – sprich die Digitalisierung öffentlicher Dienste – und Investitionen in digitale Geschäftsmodelle. „Die PS, die wir bereits haben, müssen auch auf die Straße gebracht werden“, verdeutlichte der ZEW-Präsident.

"Wir befinden uns in einem globalen Wettbewerb"

Obwohl die Mittel für Investitionen vorhanden seien, gebe es in Deutschland noch wenig Erfolgsgeschichten, wie sie das Silicon Valley mit Internetriesen wie Google oder Facebook schon geschrieben hat, erklärte Andreas von Bechtolsheim, Gründer von Sun Microsystems und einer der ersten Investoren bei Google, via Live-Zuschaltung aus den USA während der Veranstaltung. Bechtolsheim betonte, wie schon bei einer Konferenz im Jahr 2015 am ZEW, dass es für Unternehmen in den Vereinigten Staaten einfacher sei, vergleichsweise schneller zu wachsen, da der Markt viel größer und homogener sei, als etwa in Europa. Allerdings unterstrich Bechtolsheim: „Wir befinden uns in einem globalen Wettbewerb.“

Das Silicon Valley sei letztlich nur ein kleiner Zirkel. Es gehe vielmehr darum, mit neuen, innovativen Geschäftsmodellen weltweit zu expandieren. „Wo lässt sich investieren und wo ergibt sich daraus langfristig ein entscheidender Vorteil – diese Frage müssen Unternehmer global beantworten“, sagte der Gründer.

Baden-Württemberg investiert eine Milliarde Euro in Digitalisierung

Für Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut hat das Thema Digitalisierung Priorität.

Unter Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau des Landes Baden-Württemberg, genießt das Thema Digitalisierung höchste Priorität. Rund eine Milliarde Euro will die Landesregierung demnach in der laufenden Legislaturperiode in die Digitalisierung investieren. Baden-Württemberg befinde sich mitten in der Industrialisierung des Internets. Diese Phase sei zukunftsweisend und entscheidend, so Hoffmeister-Kraut in ihrer Ansprache. Eine Aufholjagd zu den USA im kommerziellen Bereiche könne es nicht mehr geben, im industriellen Bereich hingegen schon. „Wir müssen unsere eigenen Wege finden und gehen“, sagte die Ministerin, „wie wir Künstliche Intelligenz und das Internet der Dinge gestalten, gerade auch in der in Baden-Württemberg starken Automobilbranche, wird die Gretchenfrage der Zukunft sein.“ Das ZEW sei dabei für Land und Unternehmen ein verlässlicher Partner.

Die Podiumsdebatte des Abends, moderiert von Silke Wettach, Korrespondentin des Magazins „Wirtschaftswoche“ in Brüssel, setzte parallel zu den Vorträgen weitere Akzente. Zwar seien die Erfahrungen von Andreas von Bechtolsheim aus dem Silicon Valley ein Stück weit ernüchternd, räumte Nicole Hoffmeister-Kraut ein. Die Lehren daraus sei indes, vor allem kleinere und mittlere Unternehmen intensiv durch den Strukturwandel zu begleiten und zu unterstützen sowie mehr Frauen für die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) zu begeistern.

"Wir müssen Experimentierphasen zulassen"

ZEW-Präsident Prof. Achim Wambach, PhD in der Debatte mit Journalistin Silke Wettach.

Die Unternehmen selbst sieht Dr. Georg Müller, Vorstandsvorsitzender des Energieversorgungsunternehmens MVV Energie AG, in der Pflicht, um mit internen Veränderungsprozessen auf den digitalen Wandel zu reagieren. „Es ist eine unternehmerische Aufgabe, im eigenen Haus für einen gewissen Grundoptimismus zu sorgen“, so Müller. Unternehmen wie auch Politik müssten gleichermaßen Voraussetzungen für internationale Wettbewerbsfähigkeit schaffen. Staatliche Regulierung sei dabei dann richtig, wenn sie auf der richtigen Erfahrung beruhe.

Eben diese Erfahrungen würden von Regulierern und Wettbewerbsbehörden derzeit intensiv gemacht, argumentierte ZEW-Präsident Achim Wambach. Die Missbrauchsaufsicht sei hierbei das richtige Instrument. In einem so hochdynamischen Markt komme es zugleich aber darauf an, Bewegungsspielräume zu schaffen. „Wir müssen Experimentierphasen zulassen“, so Wambach. Das Silicon Valley sei in dieser Hinsicht „eine Art Traktor“, diene als Beispiel. Jedoch dürfe der Blick nicht nur in eine Richtung gehen. Neben den USA pflege auch Israel eine sehr starke Gründungskultur und in China würden vielfach bereits Technologien eingesetzt, „an die wir hier heute noch gar nicht denken“, sagte Wambach.

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