Steuerstandort Deutschland verliert international an Attraktivität

Forschung

Im internationalen Vergleich gibt es bei der Umsetzung des CRS in bestehendes Recht erhebliche qualitative Unterschiede.

Der internationale Steuerwettbewerb konzentriert sich zunehmend auf Unternehmen mit hohen immateriellen Vermögenswerten. Gleichzeitig werden verstärkt steuerpolitische Gegenmaßnahmen für einen als übermäßig und unfair empfundenen Steuerwettbewerb umgesetzt, die zu einem Mehraufwand für alle Unternehmen führen. Zudem verliert das deutsche Steuersystem im internationalen Vergleich zusehends an Attraktivität. Aus diesem Dreiklang erwächst insbesondere für deutsche Familienunternehmen die Gefahr einer sinkenden internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen.

Die Studie analysiert die Entwicklungen im internationalen Steuerwettbewerb sowie die Wirksamkeit steuerpolitischer Gegenmaßnahmen. Dabei zeigen die ZEW-Wissenschaftler, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten der Wettbewerb, insbesondere auf dem Gebiet der Unternehmensbesteuerung, erheblich verstärkt hat. Dies wird vor allem in einem Anstieg des Wettbewerbsdrucks in Form von Steuersenkungen in mehreren Ländern deutlich. Das jüngste Beispiel stellt dabei die in den USA im Rahmen des „Tax Cuts and Jobs Act“ beschlossene Senkung der Körperschaftssteuer auf Bundesebene von 35 Prozent auf 21 Prozent dar. Während weitere Industriestaaten deutliche Senkungen ihrer Steuern ankündigen oder bereits umsetzen, entwickelt sich Deutschland im internationalen Vergleich immer mehr von einem Hochsteuerland zu einem Höchststeuerland.

Die Intensivierung des Steuerwettbewerbs erfolgt auch in Form von „Smart Tax Competition“. Bei dieser Form des Steuerwettbewerbs werden steuerpolitische Instrumente zielgerichtet zur Anziehung hochmobiler Aktivitäten eingesetzt. Staaten gestalten ihre Steuersysteme dabei besonders freundlich für immaterielle Wirtschaftsgüter aus. Durch Patentboxen mit ihren ermäßigten Gewinnsteuersätzen sowie durch die Gewährung steuerlicher Erleichterungen für die Durchführung von Forschung und Entwicklung (F&E) werden insbesondere die Bedürfnisse forschungsstarker, innovative Unternehmen berücksichtigt. Der zunehmende Fokus im Steuerwettbewerb auf diese Unternehmen lässt sich durch einen Anstieg der EU-Mitgliedsstaaten, die eine Patentbox anbieten, ablesen: Verfügten im Jahr 2000 lediglich zwei EU-Mitgliedsstaaten über Patentboxen, so stieg diese Zahl bis zum Jahr 2018 auf vierzehn. Von diesem Trend profitieren vor allem Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen. Deutsche Familienunternehmen mit ihren tendenziell höheren materiellen Vermögenswerten und ihrem höheren Anteil an Wertschöpfung aus traditionellen Geschäftsmodellen sind dabei weniger häufig Nutznießer dieser Entwicklung.

Zur Eindämmung eines übermäßigen Steuerwettbewerbs wurden steuerpolitischen Gegenmaßnahmen eingeführt. Dabei ist insbesondere das von der OECD initiierte BEPS-Projekt („Base Erosion and Profit Shifting“) gegen als „unfair“ empfundene Gewinnverkürzungen und Gewinnverlagerungen von Unternehmen zu nennen. Die aus dem BEPS-Projekt und aus auf EU-Ebene beschlossenen multinationalen Vereinbarungen resultierenden Umsetzungsverpflichtungen werden allerdings in Deutschland „übererfüllt“. Beispiele hierfür sind die unilaterale Einführung einer Lizenzschranke und die derzeitige Debatte zur Einführung einer Anzeigepflicht für aggressive oder missbräuchliche Steuergestaltungen. Bei der deutschen Lizenzschranke liegt die Schwelle für Einschränkungen in der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben für internationale Lizenzzahlungen besonders niedrig. Auch bei der steuerlichen Anzeigepflicht für Steuergestaltungen der Finanzverwaltung gegenüber besteht die Gefahr, dass es in Deutschland zu einer deutlich über die OECD-Mindeststandards hinausgehenden Umsetzung kommt, die auch rein nationale Gestaltungen umfassen könnte. Der aus der Übererfüllung von Umsetzungsverpflichtungen resultierende Mehraufwand betrifft alle Unternehmen. Familienunternehmen könnten dabei benachteiligt werden, da für sie der Mehraufwand einem tendenziell geringeren Nutzen des Steuerwettbewerbs gegenübersteht.

Senkung der Unternehmenssteuern zur Stärkung deutscher Wettbewerbsfähigkeit

Aus dem Dreiklang eines zunehmend unattraktiv werdenden Steuersystems in Deutschland, der besonderen Begünstigung von Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen im Steuerwettbewerb und einer uneingeschränkten Betroffenheit durch steuerpolitische Gegenmaßnahmen ergibt sich die Gefahr einer sinkenden Wettbewerbsfähigkeit insbesondere für deutsche Familienunternehmen. Um dem entgegenzuwirken, schlagen die ZEW-Wissenschaftler eine Überprüfung der Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland vor. In Anbetracht des zunehmenden Wettbewerbsdrucks besteht Handlungsbedarf. So würde eine Senkung der Steuerlast für Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit stärken und der Verlagerung von Realinvestitionen entgegengenwirken.

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