Die größten Unterschiede zwischen Frauen und Männern sehen wir, wenn es um Hierarchien geht

Nachgefragt

Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes, Senior Researcher im ZEW-Forschungsbereich „Marktdesign“, diskutiert die Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern.

Frauen dürfen in Deutschland seit dem 12. November 1918 wählen. Auch 100 Jahre später geht das Ringen um die Gleichstellung weiter – insbesondere auf dem Arbeitsmarkt. Frauenquote, Lohnlücke und flexible Arbeitszeitmodelle beherrschen die Debatte um ein „Mehr“ an Chancengerechtigkeit zwischen den Geschlechtern. ZEW-Personalökonomin Jun.-Prof. Dr. Susanne Steffes äußert sich kritisch zur Gleichstellung von Frauen und Männern im deutschen Arbeitsmarkt.

Wie sieht die aktuelle Beschäftigungsstruktur am deutschen Arbeitsmarkt aus?

Frauen haben in den vergangenen Jahrzehnten am Arbeitsmarkt enorm aufgeholt. Im Jahr 2017 lag  ihre Beschäftigungsquote laut europäischer Statistikbehörde bei etwa 74 Prozent, die der Männer bei 82 Prozent. Bei der Bildung gibt es sogar gar keine Unterschiede mehr. Auf diesem Gebiet schneiden Frauen tatsächlich heutzutage sogar oft besser ab als Männer. Es gibt allerdings auch große Unterschiede. Frauen und Männer sind immer noch häufig in typische Frauen- und Männerberufe segregiert. Dabei werden die typischen Männerberufe besser bezahlt. Das ist ein Grund für die nach wie vor recht hohen Geschlechterunterschiede bei den Löhnen. Der durchschnittliche Stundenlohn von Frauen ist in Deutschland 21,5 Prozent geringer als der von Männern. Dass Frauen häufiger und länger wegen Kinderbetreuung im Beruf pausieren beziehungsweise Teilzeit arbeiten, ist ein weiterer Grund für diesen Unterschied. Die größten Unterschiede zwischen Frauen und Männern sehen wir aber immer noch, wenn es um Hierarchien geht. In einer unserer Befragungen geben 32 Prozent der Männer aber nur 14 Prozent der Frauen an, in einer Führungsposition zu sein.

Stichwort „Frauenquote“ – Ja oder Nein?

Auf den ersten Blick könnte man sagen: Ja, eine Frauenquote scheint notwendig zu sein, wenn Frauen dieselben Chancen auf Führungspositionen haben sollen wie Männer. So leicht kann man es sich aber nicht machen. Es gibt viele Gründe, warum Frauen hier schlechter vertreten sind. Sicherlich spielt eine Rolle, dass Karrieren häufig in einem Altersabschnitt gestartet werden, in dem Frauen auch Kinder bekommen. Und die Frage ist dann, wie gut sie beides miteinander vereinbaren können und wollen. Darüber hinaus gibt es Studien, die zeigen, dass Frauen sich weniger gern Wettbewerbssituationen aussetzen und nicht so gerne Risiken eingehen. Es könnte also auch sein, dass viele Frauen gar nicht in eine Führungsposition gehen wollen. Zumindest nicht unter den gegebenen Umständen. Aus meiner Sicht muss noch besser erforscht werden, ob und wie man mehr Frauen dazu animieren kann, eine Führungsposition anzustreben. Und gleichzeitig darf man nicht aus dem Blick verlieren, dass auch die Arbeitgeber bereit sein müssen, mehr Frauen zu befördern.

Sind Frauen unzufriedener im Beruf als Männer?

Nein, das kann man so nicht grundsätzlich sagen. In unserer repräsentativen Befragung geben Frauen zwar seltener als Männer an, dass sie die formellen Regeln und Prozeduren zur Entscheidungsfindung als gerecht empfinden. Frauen in Führungspositionen empfinden auch seltener, dass die Vergütung gerecht ist. Sie fühlen sich aber nicht weniger gerecht von ihren Vorgesetzten behandelt und sie unterscheiden sich in ihrer allgemeinen Arbeitszufriedenheit nicht von Männern.

Was bieten Unternehmen an beruflicher Weiterbildung an und was wird genutzt?

Tendenziell nehmen Frauen seltener an beruflicher Weiterbildung teil, die vom Arbeitgeber finanziert wird. Das gilt allerdings vor allem für Frauen in Teilzeit und in schlechter bezahlten Jobs. Man kann nicht unbedingt sagen, dass es immer die Arbeitgeber sind, die die Frauen benachteiligen. Sich weiterzubilden ist ja häufig auch eine persönliche Entscheidung. Wir werden demnächst eine Studie veröffentlichen, in der wir zeigen, dass hochqualifizierte Frauen in gut bezahlten Jobs sogar häufiger auf eigene Initiative und in ihrer Freizeit an Weiterbildung teilnehmen als ihre männlichen Kollegen in vergleichbaren Jobs. Es könnte sein, dass sie das tun, um dem Arbeitgeber ihr Engagement zu zeigen, damit sie dieselben Chancen haben wie Männer.

Wie schneidet Deutschland im Vergleich zu den europäischen Nachbarn ab?

Wenn man sich die reinen Zahlen anschaut, steht Deutschland in einigen Bereichen nicht gut da. Laut den aktuellsten Zahlen des europäischen Statistikamts liegt der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen EU-weit bei 16,2 Prozent, in Deutschland bei 21,5. Schlechter als Deutschland schneiden nur Tschechien und Estland ab. Bei der weiblichen Erwerbsquote liegen die Deutschen mit 74 Prozent hingegen weit über dem EU-Durchschnitt von 68 Prozent. Auffallend ist allerdings, dass Frauen zu 37,5 Prozent häufiger in Teilzeit gehen als Männer. In der EU ist diese Differenz nur in den Niederlanden und der Schweiz noch höher.

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